Benachteiligt? Beraten! Das ESF-geförderte Projekt Antidiskriminierung in der Arbeitswelt in Bremen (ADA)

Datum
08.10.2018

Eine EU-weite Befragung von mehr als 25.000 Menschen mit Migrationshintergrund stellt fest: Erfolge bei der Bekämpfung von Hass und Ausgrenzung gibt es noch viel zu selten.

Wie die Studie der EU-Grundrechteagentur FRA (European Union Agency for Fundamental Rights) ergibt, wurden 38 Prozent der Befragten in den vergangenen fünf Jahren Opfer von Diskriminierung. Menschen aus Nordafrika (45 Prozent), Roma (41 Prozent) und Menschen aus Ländern südlich der Sahara (39 Prozent) waren besonders betroffen. Am häufigsten (40 Prozent) kam es bei der Arbeitssuche zu einer Diskriminierung.
Erfahrungen mit Diskriminierung, Hass oder sogar Gewaltakte werden von Betroffenen nur sehr selten gemeldet. Nur 12 Prozent reichten eine Beschwerde zum aktuell letzten Diskriminierungsfall ein. 89 Prozent der durch Hass motivierten Gewaltakte wurden nicht gemeldet. Als Gründe führten die Betroffenen an, dass eine Beschwerde nichts ändern würde (insbesondere im Arbeitsleben und bei Dienstleistungen), dass die eigene Erfahrung zu "trivial" sei, um sie zu melden (insbesondere in der Ausbildung und bei Erfahrungen in öffentlichen Verkehrsmitteln) oder aus Angst vor negativen Konsequenzen (besonders in der Schule). 71 Prozent kennen nach eigenen Angaben keine Organisation, die sie bei Diskriminierung unterstützen könnte.

"Die Ergebnisse zeigen, dass (auch) Deutschland mehr tun muss, um Menschen vor Diskriminierung zu schützen", sagte Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. "Von rassistischer Diskriminierung betroffene Menschen müssen wissen: Ihnen geschieht Unrecht, und dagegen lässt sich etwas tun."

Hier setzt das ESF-geförderte Projekt Antidiskriminierung in der Arbeitswelt (ADA) an. "Unser Beratungsangebot steht allen Menschen offen, ungeachtet des Merkmals, auf dessen Grundlage sich Betroffene benachteiligt fühlen", berichtet Irina Drabkina, Beraterin beim Projekt. "Eine Vielzahl kommt aufgrund rassistischer Diskriminierungserfahrungen, wegen der Hautfarbe oder der (teilweise zugeschriebenen) Herkunft in unsere Beratung. Diese Erfahrungen betreffen sowohl Diskriminierungen innerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses als auch Bewerberinnen und Bewerber, in besonderem Maße auch Kopftuchträgerinnen."

Die Beratung von ADA richtet sich an Menschen, die in ihrem Betrieb oder bei der Arbeits- bzw. Ausbildungsplatzsuche diskriminiert werden oder sexuelle Belästigung erleben. Den Ratsuchenden stünden drei Zugangsmöglichkeiten offen, sagt Irina Drabkina: "Wir beraten die Ratsuchenden anonym telefonisch, online oder vor Ort. In einem Erstgespräch ermitteln wir die diskriminierende oder belästigende Situation und entwickeln gemeinsam Lösungsansätze. Wir begleiten die Menschen auf ihrem Weg. Manche schlagen den rechtlichen Weg ein, um sich z. B. gegen eine ungerechtfertigte Kündigung auf Basis einer vorangegangenen Diskriminierung zu wehren. Andere möchten ein klärendes Gespräch mit der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber und wünschen dabei unsere Unterstützung."

Zusätzlich berät und begleitet ADA auch Arbeitgebende, die eine betriebliche Antidiskriminierungskultur schaffen und eine Beschwerdestelle nach § 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einrichten oder ausgestalten wollen.

Um die gesellschaftliche Antidiskriminierungskultur aktiv zu fördern, führt ADA außerdem regelmäßig soziokulturelle Diskussionsveranstaltungen durch. "Die letzte stand unter dem Fokus Gewichtsdiskriminierung und stellte diese in Zusammenhang mit anderen Merkmalen wie Rassismus und Sexismus", erzählt Irina Drabkina. "Bei Einstellungen, Beförderungen, Versetzungen oder Entlassungen spielt Gewichtsdiskriminierung eine erhebliche Rolle - gleiches gilt für alltägliche Beleidigungen, Schikanen oder systematisches Mobbing durch Arbeitskolleginnen und -kollegen. In besonderem Maße davon betroffen sind Migrantinnen und Migranten, die in dem Zusammenhang auch rassistische Grenzüberschreitungen erleben."

Eine Veranstaltungsteilnehmerin drückte das so aus: "Als Kopftuchträgerin habe ich es ohnehin schwer genug. Ich bin es gewohnt, dass viele Menschen denken, dass ich kein Deutsch spreche oder dumm sei. Dick zu sein, macht alles noch viel schwieriger. Ich werde nun auch für faul, träge oder arbeitslos gehalten. Man verbindet mit mir das Bild einer Mutter mit zehn Kindern, eben typisch arabische Großfamilie!" Im Zusammenhang mit den Veranstaltungen bietet ADA auch Empowerment-Workshops an.

Antidiskriminierung
Symbolfoto. Die abgebildeten Personen sind nicht identisch mit einer der im Text genannten Personen. © ADA – Arbeit und Leben e.V. / Kathrin Truhart

Zwei Teilnehmende schildern hier ihre Situation, aus der heraus sie die Beratungsstelle ADA aufgesucht haben:

"Ich habe im Irak Anglistik und Germanistik studiert, ich spreche darüber hinaus natürlich Arabisch, meine Muttersprache, und zusätzlich zwei kurdische Dialekte. Ich habe den Integrationskurs und berufsbezogene Deutschkurse absolviert, lese Zeitungen in der Stadtbibliothek und versuche, mir Kontakte zu Deutschen aufzubauen, aber ich habe das Gefühl, hier bin ich einfach nichts wert. Ich kann machen, was ich will, immer geben mir die Leute zu verstehen, dass mein Deutsch nicht reicht, und wenn ich sage, dass ich gerade mein C1-Zertifikat mache, dann sagen sie, dass eben mein Akzent schwierig sei. Ich habe diverse Versuche unternommen, hier als Lehrer oder im Büro zu arbeiten, aber mich scheint niemand zu brauchen, obwohl ich so gut Deutsch kann und mit der ganzen Bürokratie beim Jobcenter im Vergleich zu meinen Bekannten aus dem Irak gut klarkomme."

R. A. A.*, Lehrer und Dolmetscher aus dem Irak

"Im Rahmen meiner Tätigkeit bei einer Zeitarbeitsfirma konnte ich nicht mit meiner vollen Arbeitszeit eingesetzt werden und habe dadurch ein geringeres monatliches Einkommen erhalten. Ich wurde wiederholt nach Hause geschickt mit dem Hinweis: "Heute gibt es nicht genug Arbeit für alle, du kannst zu Hause bleiben!". Und das, obwohl eine wöchentliche Arbeitszeit von 39,6 Stunden vertraglich vereinbart ist. Darüber hinaus wurde eine Vorauswahl getroffen: Die Osteuropäer durften arbeiten, dann erst kamen Türken und Araber. Als die Arbeit immer weniger wurde, wurde ich in die Ecke gedrängt und ständig gemobbt: "Du stinkst, die Kollegen ertragen deinen Gestank nicht mehr. "Da ist mir der Kragen geplatzt, das habe ich einfach nicht mehr ertragen und war sehr außer mir. Ein Freund gab mir den Hinweis auf ADA: "Da helfen sie dir, du kannst dich wehren, ich habe es von einem Kollegen gehört‘, sagte er mir."

A. B.*, Klient aus Marokko
*Pseudonyme

Mehr Informationen zum Projekt ADA finden Sie auf der Projektwebsite. Das ESF-Programm Qualifizierung im Kontext Anerkennungsgesetz (Förderprogramm IQ), im Rahmen dessen das Projekt gefördert wird, wird auf dem ESF-Webportal vorgestellt.

Der Artikel basiert auf einem Text von Ikram Rimi.