Demografischen und digitalen Wandel als Alltag begreifen

Datum
10.02.2020

Um ihre Fach- und Führungskräfte auf stetigen gesellschaftlichen Wandel vorzubereiten, setzen die Pfeifferschen Stiftungen zu Magdeburg-Cracau im ESF-geförderten Programm "rückenwind+" die Projekte "gRaziE" und "PfeifferNET" um. Die ESF-Regiestelle des Programms "rückenwind+" war vor Ort in den Projektteams und erhielt Einblick in die umfangreichen Erfahrungen.

"Wir können uns davon verabschieden, dass wir einmal etwas verändern und dann bleibt das für einen längeren Zeitraum so", resümiert Projektleiterin Heike Thiele auf der abschließenden Transferkonferenz des "rückenwind+"-Projekts " gRaziE - gemeinsam personale Ressourcen aktivieren - zukunftsorientiert individuelle Entwicklungen fördern " der Pfeifferschen Stiftungen zu Magdeburg-Cracau am 15. Januar 2020. Die erfahrene Personalentwicklerin ist sich sicher: "Veränderung ist permanent und wird unser Alltag sein. Wenn wir uns das bewusstmachen, können wir der zunehmenden Komplexität künftig noch besser gerecht werden."

Das "rückenwind+"-Projekt unterstützt seit 2017 einen umfangreichen Strukturwandel der Organisation, der u.a. den Abbau von Hierarchien beinhaltet. Ziel ist eine strategisch ausgerichtete Führungskräfte- und ressourcenorientierte Team- und Talententwicklung. Eine große Herausforderung: Mit ihren rund 1.600 Mitarbeitenden und einer über 125-jährigen Tradition sind die Pfeifferschen Stiftungen die größte diakonische Komplexeinrichtung in Sachsen-Anhalt und einer der wichtigsten regionalen Arbeitgeber.

Mit der Qualifizierung ihrer Fachkräfte im Hinblick auf Veränderungsprozesse im Rahmen von "gRaziE" leisten sie daher einen wichtigen Beitrag für die ganze Region, so Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung des Landes Sachsen-Anhalt, in seinem Grußwort auf der Transferkonferenz.

Die Motivation, ein ESF-gefördertes Projekt einzuwerben, erläutert Klaus-Dieter Schinkel, Kaufmännischer Vorstand der Pfeifferschen Stiftungen, so: "Ziel im "rückenwind+"-Projekt "gRaziE" war es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die sich wandelnden "Umweltbedingungen" vorzubereiten." Was sich kurz und knapp in einem Satz zusammenfassen lässt, bedeutete im Arbeitsalltag, einen Prozess in Gang zu setzen, der nun die gesamte Organisation und ihre Mitarbeitenden einbezieht und innerbetriebliche Abläufe auf Organisationsebene ebenso betrifft wie Kommunikationsprozesse und die Personalentwicklungsplanung. Neben der Qualifizierung von Führungskräften, Mitarbeitenden und Teams nimmt deshalb auch der Vorstand seine aktive Rolle als Teil der Steuerungsgruppe des Projekts wahr.

Christoph Radbruch ist Vorstandsvorsitzender der Pfeifferschen Stiftungen und betont im Rahmen der Transferkonferenz, dass es im Projekt "gRaziE" darum ging, Zutaten bzw. eine Zutatenliste anzubieten, dass sich aber die daraus zu entwickelnden Lösungen bei den Akteur*innen nach den Anforderungen in ihren Arbeitsbereichen richten werden.

Mit dem Verständnis, sich auf stetig ändernde interne und externe Bedingungen einzustellen, verändert sich auch die Rolle von Führungskräften. Daher war es Bestandteil des Projekts, Führungskräfte darin zu unterstützen, loszulassen und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, damit sie Entscheidungen delegieren können. Hinzu käme, dass über 130 Fach- und Führungskräfte zwischen 2017 und 2021 in den Ruhestand gingen. Auch die Verweildauer neuer Mitarbeitender im Unternehmen werde immer kürzer.

Ein weiteres Thema, mit dem sich "gRaziE" beschäftigt, sind "altersgemischte Teams", denn die Altersspanne in den Arbeitsgruppen werde zunehmend größer. Zudem stellen sich die Pfeifferschen Stiftungen darauf ein, dass die Führungskräfte immer häufiger jünger als der Großteil der Teammitglieder sind. Für den angeschobenen Veränderungsprozess auf allen Ebenen ist Nachhaltigkeit zentral und daher der partizipative Ansatz sehr wichtig. "Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir uns keinen Personal- und Organisationsentwicklungsansatz von außen aufsetzen lassen wollen", so Heike Thiele, "sondern diesen gemeinsam mit den Mitarbeitenden und aus den Bedarfen der Pfeifferschen Stiftungen heraus entwickeln." Die Mitarbeitenden erhalten damit ebenfalls die Möglichkeit, sich innovativ einzubringen, u.a. können sie ihre Ideen im Rahmen des neu etablierten "Intrapreneurship"-Aufrufs mit fachlicher Unterstützung entwickeln und befördern damit die Innovationskultur in der Organisation.

Leinwand und Publikum
Projektleiterin Heike Thiele auf dem abschließenden Transferkongress des Projekts "gRaziE" der Pfeifferschen Stiftungen zu Magdeburg-Cracau (15. Januar 2020 in Magdeburg) © Pfeiffersche Stiftungen/MatthiasPiekacz

In dieser aktuellen Phase der Personal- und Organisationsentwicklung erhält auch der Schwerpunkt "Arbeit 4.0 & Digitalisierung" einen immer größeren Stellenwert. Seit Frühjahr 2018 unterstützt deshalb ein zweites "rückenwind+"-Projekt den Wandel bei den Pfeifferschen Stiftungen. " Pfeiffer - Netzwerkstatt (PfeifferNET) " macht es sich zum Ziel, für die Mitarbeitenden passende digitale Unterstützungsmöglichkeiten zu entwickeln und einzuführen.

Aus Vorstandssicht ist für Klaus-Dieter Schinkel das Thema "Digitalisierung" eng mit den internen und externen Veränderungsprozessen verbunden, auf die die Pfeifferschen Stiftungen ohnehin mit vorausschauender Planung reagieren: "Mit Blick auf die Digitalisierung haben wir uns entschieden, uns nicht überrollen zu lassen, sondern unseren eigenen Weg gemeinsam mit der Belegschaft zu gestalten." Digitale Tools und Plattformen werden im Alltag sowohl für Mitarbeitende als auch für Klientinnen und Klienten immer wichtiger, meint Schinkel weiter, denn gerade für Menschen mit Behinderung bieten neue Kommunikationstechnologien immer mehr Vorteile, zum Beispiel im Hinblick auf Sprachassistenz und die Stärkung von Autonomie. Das ESF-Programm "rückenwind+" sei hierfür das geeignete Förderinstrument, da nicht die Anschaffung von technischer Infrastruktur im Fokus stünde, sondern die Qualifizierung der Mitarbeitenden und die Einführung neuer Formen der Zusammenarbeit. Nur so könne die Technik ihren Nutzen entfalten, unterstreicht Vorstandsmitglied Klaus-Dieter Schinkel.

"PfeifferNET" ist als Wissens- und Netzwerkplattform konzipiert und soll zeit- und ortsunabhängige Kommunikation sowie kollaborative Formen der Zusammenarbeit ermöglichen. Zugleich stellt es eine Verbindung zur ebenfalls im Aufbau befindlichen Lernplattform her. Kristin Löser, die Projektleiterin von "PfeifferNET", ist sich aus ihrer mehrjährigen Erfahrung als Projektmanagerin im IT-Bereich bewusst, dass die Einführung digitaler Tools und die damit verbundene Entwicklung neuer Arbeitsformen nicht nur als eine Erleichterung erlebt wird: "Unsere Mitarbeitenden müssen im Arbeitsalltag mit immer mehr Plattformen und Softwaresystemen umgehen. Auch die neuen Formen der Zusammenarbeit stellen für viele noch eine Blackbox dar." Mit dem "PfeifferNET" setzt das Team daher ganz nah am Arbeitsalltag und den konkreten Bedarfen der Mitarbeitenden und Führungskräfte an. "Durch die Vielfalt unserer Teilnehmenden hat sich eine bunt gemischte Gruppe gefunden, die inzwischen ein bereichsübergreifendes Netzwerk bildet. Die kollegiale Unterstützung ist wichtig, um dem Gefühl der Überforderung bei der Nutzung von Software und Systemen entgegen zu wirken."

Leinwand und Publikum
Christoph Radbruch, Vorstandsvorsitzender der Pfeifferschen Stiftungen, mit Teilnehmer*innen eines NetzwerkTages des Projekts "Pfeiffer - Netzwerkstatt (PfeifferNET)" © Pfeiffersche Stiftungen/Kristin Löser

Die beiden "rückenwind+"-Projektteams arbeiten nicht nur in räumlicher Nähe, da die Büros im selben Flur sind, sondern stehen auch in engem inhaltlichen Austausch. Heike Thiele war in die Konzeption des Projekts "PfeifferNET" einbezogen, so dass Erfahrungen aus "gRaziE" eingeflossen sind. Für Kristin Löser sind es besonders die Kommunikationskultur und Wertschätzung, die in "gRaziE" aufgebaut wurden und an die "PfeifferNET" nun sehr gut anschließen kann. Auch der partizipative Ansatz wird im noch bis Ende 2020 laufenden Projekt "PfeifferNET" großgeschrieben. Um so viele Mitarbeitende wie möglich mitzunehmen, setzte das Team auf einen "nicht-technischen" Start ins Projekt: "In mehreren Workshops mit Bereichsleitungen, Teamleitungen sowie Mitarbeiter*innen aller Arbeitsbereiche haben wir gemeinsam die konkreten Bedarfe ermittelt und priorisiert", erläutert Kristin Löser das Vorgehen. Dabei stand grundsätzlich die Auseinandersetzung mit den Themen "Wissen", "Kommunikation" und "Organisation" im Zentrum.

Themenkarten
Auszug aus der Bedarfsermittlung im Hinblick auf die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit mit Einführung des "PfeifferNET" © Pfeiffersche Stiftungen/Kristin Löser

Die strengen Vorgaben, die die Durchführung eines ESF-geförderten Projekts mit sich bringt, reflektiert Heike Thiele insgesamt positiv: "Feste Zeitstrukturen und Meilensteine, die uns durch die Antragstellung in "rückenwind+" vorgegeben waren, haben uns im Alltagsgeschäft geholfen, unser Vorhaben strukturiert umzusetzen. So konnten wir Veränderungen im Projektverlauf aufgreifen, ohne den Fokus zu verlieren. Dadurch hat sich mehr entwickelt, als wir ursprünglich geplant hatten. An der einen und anderen Stelle mussten wir uns natürlich sehr disziplinieren, um im Prozess zu bleiben und auf dem einen oder anderen Weg nicht aufzugeben."

Das ESF-Programm " rückenwind - Für die Beschäftigten und Unternehmen in der Sozialwirtschaft " (kurz: "rückenwind+") ist ein im Jahr 2015 gestartetes Förderprogramm zur Fachkräftesicherung in sozialen Berufsfeldern. Ansatzpunkt ist die Personal- und Organisationsentwicklung in Unternehmen und Verbänden der gemeinnützigen Sozialwirtschaft. Ziel der Förderung ist die Verbesserung der Anpassungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten in der Sozialwirtschaft in Verbindung mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Organisationsstrukturen in den Einrichtungen, Diensten und Verbänden. Das Förderprogramm wurde gemeinsam vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW) entwickelt. Gefördert wird es aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und aus Bundesmitteln.

Auszug aus dem ESF-Newsletter