Arbeit lebensphasengerecht gestalten - Das rückenwind+-Projekt "Phase L"

Datum
15.05.2020

Ein systematisches und strategisches Personalmanagement ist auch für sozialwirtschaftliche Unternehmen zur Gewinnung und Bindung von Mitarbeiter*innen unerlässlich. Für die Personalpolitik wird es immer wichtiger, Lebensphasen und -ereignisse von Beschäftigten gezielt und individuell zu berücksichtigen. Auf diese Herausforderung reagierte das kürzlich erfolgreich abgeschlossene "rückenwind+"-Projekt "Phase L - Initiative der Caritas NRW zur lebensphasengerechten Personal- und Organisationsentwicklung" des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn e.V.

An insgesamt zwölf Standorten in Nordrhein-Westfalen beriet und begleitete der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn im Kooperationsverbund mit den Diözesan-Caritasverbänden Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn Mitgliedseinrichtungen aus der Alten-, Behinderten-, Kinder- und Jugendhilfe sowie Beratungsdienste bei der Erprobung und Einführung von Pilotvorhaben im Bereich der Personalentwicklung.

Zu den Ergebnissen hat die ESF-Regiestelle des Programms "rückenwind+" Katharina Reuber, Projektleiterin von "Phase L" und Leonie Gotzeina, Projektreferentin, befragt.

Drei Frauen an einem Stand
Projektteam Projekt Phase L, Leonie Gotzeina, Nina Kramps, Katharina Reuber (v. li.) © cpd/Christian Lukas

Frau Reuber, Frau Gotzeina, Sie haben von April 2017 bis März 2020 beim Caritasverband für das Erzbistum Paderborn e.V. das über "rückenwind+" geförderte ESF-Projekt "Phase L - Initiative der Caritas NRW zur lebensphasengerechten Personal- und Organisationsentwicklung" inhaltlich umgesetzt. Warum verwenden Sie den Begriff "lebensphasengerecht" und nicht den üblicherweise gängigen Begriff "lebensphasenorientiert"?

Reuber: Unser Anliegen ist es, den einzelnen Lebensphasen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich "gerecht" zu werden und uns nicht nur an ihnen zu orientieren. Mit unserem Projekt wollten wir die Beschäftigten selbst in den Mittelpunkt rücken. Dabei galt es natürlich, die Möglichkeiten der jeweiligen Organisation zu berücksichtigen.

Worauf beziehen Sie die Kategorie "Lebensphasen"?

Reuber: Die Kategorie der "Lebensphasen" wurde in dem Projekt auf die Lebenshintergründe der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezogen. Hierzu zählen Faktoren wie der Familienstand und natürlich die Berufsphasen selbst. Also z. B. das Leben als Single, als Großeltern- und Eltern, aber auch individuelle Faktoren wie Krankheiten, Pflege von Angehörigen, neben- und ehrenamtliche Tätigkeiten, Hobbys, Weiterbildungen, Berufseinstieg, Reife, Laufbahnplanung, Führung, Altersteilzeit und Ausstieg.

Gotzeina: Zur Kategorie "Lebensphase" zählen wir aber natürlich auch die Berücksichtigung von gesellschaftlichen Trends wie die Globalisierung, Digitalisierung, Wertewandel. Hier v.a. den Wandel von Lebensentwürfen und Individualisierung und den demografischen Wandel, besonders in Bezug auf die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und Alterung der Gesellschaft.

Sie haben mit insgesamt zwölf Pilotstandorten zu ganz unterschiedlichen Themen im Rahmen des Projekts gearbeitet. Warum war es sinnvoll, das Projekt so breit aufzustellen?

Gotzeina: Die Heterogenität der Pilotstandorte sowohl in den Arbeitsbereichen als auch in ihrer Größe ließ eine Vielfalt zu. Das gab die Möglichkeit, einen größeren Erfahrungsschatz zu sammeln. Zudem konnten auf diese Weise unterschiedliche Bereiche im Sozialwesen abgedeckt werden.

Reuber: Außerdem haben wir die Diversität der Standorte innerhalb des Projekts nutzen können, um Individualität und Innovation zu fördern und als Stärken herauszustellen. Wir konnten bedarfsgerecht auf Anforderungen, Wünsche, Lebensentwürfe und Lebensphasen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingehen. Mit dieser Vorgehensweise war es möglich, wertvolle Erfahrungen zu sammeln, wie wir uns als Caritas in Nordrhein-Westfalen (NRW) zukunftsorientiert aufstellen und auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren können.

Wie haben Sie die Themen der Pilotprojekte festgelegt?

Reuber: Wichtig war uns, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Auswahl von Anfang an partizipativ einzubinden. Wir haben die Bedarfe deshalb an den unterschiedlichen Standorten jeweils über verschiedene Workshop-Formate und Befragungen ermittelt. In Lenkungs-, Arbeits- und Workshop-Gruppen sind anschließend die Themen priorisiert worden.

Welche Themen sind dabei herausgekommen? Können Sie ein paar Beispiele nennen?

Reuber: Der Themenkanon war zunächst so vielfältig wie die Standorte auch. Das ging von der Diskussion zu anderen Vergütungssystemen, etwa im Sinne von Zusatzleistungen bei der Übernahme von Diensten, über neue Regelungen zur Arbeitszeit bis hin zu Modellen der Arbeitsorganisation. Hier spielen etwa Stichworte wie agile Arbeitsformen, Schichtsysteme und Ausfallmanagement eine große Rolle. Wichtige Themen waren auch Personalmarketing und Personalgewinnung. Hier wurden tolle neue Ansprache-Konzepte entwickelt, um Stellenanzeigen attraktiver zu gestalten und besser auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen.

Gotzeina: Andere Pilotstandorte haben sich mit Themen rund um eine verbesserte Führungs- oder Teamkultur und Betriebliches Gesundheitsmanagement beschäftigt. Im Zusammenhang mit dem Themenfeld Fortbildung hat ein Pilotstandort z. B. für seine Beschäftigten das Angebot einer multimedialen Online-Fortbildung etabliert. So können Weiterqualifizierungen etwa zu Hygienebeauftragten, Schmerzmentorinnen oder diabetesversierten Krankenpflegekräften flexibel auch von Mitarbeitenden wahrgenommen werden, die an bisherigen Fortbildungsangeboten nur schwer teilnehmen konnten.

Welche Rolle hat Austausch bzw. kollegiale Beratung unter den Projektstandorten gespielt?

Reuber: Insgesamt eine zentrale Rolle. Möglichkeiten des Austausches der einzelnen Standorte gab es dabei an unterschiedlicher Stelle. Im Rahmen von übergreifenden Veranstaltungen wie der Auftaktveranstaltung oder den Modulschulungen haben sich die Teilnehmenden ohnehin regelmäßig getroffen. Neben diesen Angeboten gab es die Möglichkeit des Austausches über eine Caritas-interne Internetplattform. Und auch wir haben als Projektteam regelmäßig für einen Informationstransfer zwischen den Standorten gesorgt.

Die breite Aufstellung mit 12 Pilotstandorten hat sich auch in der Steuerung des Projekts "Phase L" wiedergespiegelt.

Reuber: Richtig. "Phase L" ist durch eine Steuerungsgruppe begleitet worden, in der Ansprechpersonen aus allen beteiligten Diözesanverbänden mitgewirkt haben. Durch die bistumsübergreifende Anbindung auf NRW-Ebene konnten wir einen besseren Informationsfluss sowie eine breite Vernetzung sicherstellen. In vorherigen Projekten hatte sich bereits gezeigt, dass damit die gesamte verbandliche Caritas in NRW gestärkt werden kann.

Gruppe Menschen
Vertreter*innen der zwölf Standorte des Projektes "Phase L" der Caritas in NRW im Rahmen der Abschlussveranstaltung © cpd/Christian Lukas

Das "rückenwind+"-Projekt endete am 31. März.2020. Was hat sich rückblickend in den Organisationen konkret verändert?

Gotzeina: Sämtliche Pilotstandorte haben ein Bewusstsein für die Thematik entwickelt, verschiedene Instrumente erprobt bzw. entwickelt und werden weiter an den Themenfeldern arbeiten. Alle Ergebnisse wurden in "Faktenblättern" festgehalten und stehen der Sozialwirtschaft voraussichtlich ab April auf unserer Homepage zur Verfügung.

Können Sie einen zentralen Erfahrungswert aus der Projektumsetzung benennen?

Gotzeina: Die Beschäftigung mit dem Thema lohnt sich! Sämtliche Prozessschritte haben sich nach Einschätzung der Beteiligten ausgezahlt - allerdings nicht ohne einen nennenswerten Einsatz von Ressourcen.

Abschließend - Die größte Überraschung für Sie?

Reuber: Die Pilotstandorte hatten ähnliche Themen, die Ihnen am Herzen lagen - dennoch wurden sehr individuelle Ergebnisse und Lösungen entwickelt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Informationen zum Projekt "Phase L" finden Sie hier.

Das ESF-Programm "rückenwind - Für die Beschäftigten und Unternehmen in der Sozialwirtschaft" (kurz: "rückenwind+") ist ein im Jahr 2015 gestartetes Förderprogramm zur Fachkräftesicherung in sozialen Berufsfeldern. Ansatzpunkt ist die Personal- und Organisationsentwicklung in Unternehmen und Verbänden der gemeinnützigen Sozialwirtschaft. Ziel der Förderung ist die Verbesserung der Anpassungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten in der Sozialwirtschaft in Verbindung mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Organisationsstrukturen in den Einrichtungen, Diensten und Verbänden. Das Förderprogramm wurde gemeinsam vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der BAGFW entwickelt. Gefördert wird es aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und aus Bundesmitteln.

Weitere Informationen zum Programm "rückenwind+" finden Sie auf der Website der Regiestelle
Kontakt: regiestelle@bag-wohlfahrt.de

Auszug aus dem ESF-Newsletter