Therapeutische Unterstützung per Smartphone - App hilft Menschen mit Angststörungen

Datum
25.03.2021

Das im Rahmen des ESF-Programms "EXIST" geförderte Start-up Mindable Health hat eine App zur Behandlung von Panikattacken und Platzangst (Agoraphobie) entwickelt. Betroffenen bietet sie eine Möglichkeit, ihre Ängste aktiv und zeitnah zu reduzieren.

Weltweit leiden 790 Millionen Menschen an einer Angststörung. Panikstörung und Agoraphobie zählen zu deren häufigsten Formen. Das Leben der Betroffenen kann dadurch enorm eingeschränkt werden. Aus Angst werden öffentliche Verkehrsmittel, Kaufhäuser und Menschenmengen vermieden. Häufig gelingt es nur unter größter Mühe, das Haus zu verlassen.

Am effektivsten lassen sich Angststörungen durch eine sogenannte Kognitive Verhaltenstherapie behandeln. In Deutschland beträgt die Wartezeit auf einen Therapieplatz jedoch im Durchschnitt fünf Monate.

Abbildungen von Apps
Übersicht der verschiedenen Module der App. Sie kann im Apple App Store und Google Play Store heruntergeladen werden. © Mindable Health

Hilfestellungen bei Panik und Agoraphobie direkt auf dem Mobiltelefon

Genau hier setzt das 2019 von Linda Weber und Eddie Rietz gegründete Start-up Mindable Health an. Mindable möchte Betroffenen eine sofortige Behandlungsmöglichkeit ohne Wartezeit bieten. Die dazu entwickelte App basiert auf verhaltenstherapeutischen Methoden und wurde in enger Zusammenarbeit mit Expert*innen der Christoph-Dornier-Stiftung für klinische Psychologie entwickelt. Als CE-konformes Medizinprodukt entspricht die App den strengen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen des Medizinproduktegesetzes. Die Wirksamkeit von Smartphone-Apps in der Behandlung von Angst- und Panikstörungen wurde bereits mehrfach in Studien und systematischen Literaturreviews nachgewiesen.

Mindable ist sowohl für Mobiltelefone mit iOS-Betriebssystem (Apple) als auch Android erhältlich und kann in den jeweiligen App Stores heruntergeladen werden.

Die Inhalte der App

In aufeinander aufbauenden Modulen lernen Betroffene ihre Ängste zunächst durch Lernvideos und -texte besser kennen und verstehen. Dabei wird eine Bewusstwerdung der eigenen Gedanken und Verhaltensweisen sowie deren Auswirkungen erarbeitet.

Abbildungen von Apps
Wissensvermittlung ist ein wichtiger Bestandteil der Mindable-App. Im Bereich "Psychoedukation" finden Betroffene eine Vielzahl von Erläuterungen zu Angststörungen und den dazu gehörenden körperlichen Reaktionen. © Mindable Health

Anschließend werden die Betroffenen, von der App angeleitet, mit angstauslösenden Körpersymptomen, Situationen und Orten schrittweise, gezielt und wiederholt konfrontiert. Konfrontationsverfahren gelten als am besten geeignet, um Ängste zu behandeln, und finden in dieser Form so auch in ambulanten und stationären Psychotherapien Anwendung. Ziel von Konfrontationen ist es, Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten abzulegen, welche - entgegen der Erwartung - Ängste aufrechterhalten und verstärken.

Wichtig ist: Der Körper muss wieder lernen, Symptome und Orte nicht als Gefahren einzustufen und durch eine Gewöhnung an diese nicht mehr in Form von Panikattacken Alarm zu schlagen. Dazu stehen über 350 Szenarien zur Auswahl, um individualisiert auf Ängste eingehen zu können.

Abbildungen von Apps
Die App lässt sich zur gezielten Konfrontation mit angstauslösenden Situationen nutzen. Betroffene erlernen auf diese Weise neue Verhaltensmuster. © Mindable Health

Mindable kann komplett eigenständig und intuitiv genutzt werden, um z.B. die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken. Darüber hinaus kann die App aber auch begleitend zu einer Therapie interaktiv mit der/dem Psychotherapeut*in genutzt werden.

Vorteile für alle Beteiligten

Mit Mindable können Betroffene unmittelbar mit einer wissenschaftlich fundierten und auf ihre Ängste abgestimmten Behandlung beginnen. Sie machen auf diese Weise frühzeitig therapeutisch notwendige Lernerfahrungen, sodass sich Störungsbilder gar nicht erst etablieren und chronisch werden.

Psychotherapeut*innen können mit Hilfe der App die Behandlung interaktiv vorbereiten, durchführen und nachbesprechen. Mindable vereinfacht auf diese Weise den Therapiealltag, spart Zeit und stärkt die Selbstwirksamkeit der Partient*innen von Anfang an. Eingaben und ausgeführte Übungen werden in der App chronologisch gespeichert und statistisch aufbereitet. Angstverläufe können während der Konfrontationen live aufgezeichnet werden. Therapie-Erfolge werden dadurch objektiv mess- und sichtbar. Die statistischen Auswertungen können per PDF-Export mit dem/der Therapeut*in geteilt oder als Ausdruck bereitgestellt werden. Dies vereinfacht die therapeutische Arbeit in Hinsicht auf Nachbesprechungen sowie Zielsetzungen und unterstützt auch beim Erstellen von Patientenberichten.

Das Unternehmen Mindable Health

Linda Weber (Psychologin & Designerin) und Eddie Rietz (Front- & Backend-Entwickler) haben ihr Unternehmen Mindable Health im April 2019 gegründet und - unterstützt durch ein ESF-gefördertes "EXIST"-Gründerstipendium - die mehrfach ausgezeichnete App Mindable entwickelt. Seit dem Launch der Anwendung im November 2019 wird nicht nur die App kontinuierlich weiterentwickelt, auch das Team findet stetig Zuwachs. Darüber hinaus laufen derzeit zwei Forschungsprojekte an renommierten Einrichtungen: In einer Studie wird die Effektivität der Nutzung von Mindable während der Wartezeit auf einen Therapieplatz gegenüber einer Wartekontrollgruppe untersucht. Die zweite Studie misst die Effektivität der Nutzung von Mindable im Vergleich zu einem App-basierten Entspannungstraining sowie einer Kontrollgruppe.

Zwei Personen vor einer Leinwand
Linda Weber und Eddie Rietz haben Mindable Health gemeinsam 2019 gegründet. © Mindable Health

Informationen zur App inklusive beispielhaften Anwendungsmöglichkeiten für Betroffene und Therapeut*innen finden Sie auf der Webseite https://www.mindable.health.

Das ESF-Bundesprogramm "EXIST"

Ziel des ESF-Bundesprogramms "EXIST" ist es, das Gründungsklima an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu verbessern. Darüber hinaus sollen die Anzahl und der Erfolg technologieorientierter und wissensbasierter Unternehmensgründungen erhöht werden. "EXIST" umfasst drei Förderprogrammlinien:

  • Mit "EXIST-Forschungstransfer" werden herausragende forschungsbasierte Gründungsvorhaben, die mit aufwändigen und risikoreichen Entwicklungsarbeiten verbunden sind, gefördert.
  • Das "EXIST-Gründerstipendium" unterstützt die Vorbereitung innovativer Existenzgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen, insbesondere die Erstellung eines tragfähigen Businessplans und die Entwicklung marktfähiger Produkte und Dienstleistungen.
  • "EXIST-Gründungskultur" wird in Form eines Wettbewerbs "Die Gründerhochschule" durchgeführt. Ziel ist es, hochschulweite Gesamtstrategien zu entwickeln und diese umzusetzen, um eine Gründungskultur und mehr Unternehmergeist an Hochschulen zu etablieren. Im November 2018 ist mit der Richtlinie "EXIST-Potentiale" eine neue Wettbewerbsrunde in "EXIST-Gründungskultur" gestartet. "EXIST-Potentiale" wird ausschließlich vom Bund gefördert.

Weitere Informationen zum ESF-Förderprogramm "EXIST" finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Programmwebsite des BMWi.

Auszug aus dem ESF-Newsletter