ESF-Integrationsrichtlinie Bund: Erfolgreich Betriebe einbinden und transnational voneinander lernen
- Datum
- 28.07.2017
"Integration durch Austausch (IdA)" bedeutet: Junge Menschen ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz absolvieren ein begleitetes Betriebspraktikum im europäischen Ausland. Die gewonnene Arbeitserfahrung, Sprachkompetenz und persönliche Weiterentwicklung der Teilnehmenden erleichtert ihre anschließend angestrebte Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. Das gelingt nur gemeinsam mit den regionalen Arbeitsmarktakteuren.
Ein Schwerpunkt des ersten Tages des Vernetzungstreffens lag auf der Einbindung der Betriebe im Kooperationsverbund der IdA-Projekte. Die Maßnahmen der ESF-Integrationsrichtlinie Bund werden im Rahmen einer einheitlichen und verbindlich vorgegebenen Umsetzungsstruktur, dem Kooperationsverbund, gefördert. Betriebe und Jobcenter müssen von Anfang an aktiv eingebunden sein. Die Einbeziehung von Betrieben in die Projektarbeit soll den Teilnehmenden den Zugang zu einer konkreten Arbeits- oder Ausbildungsstelle erleichtern.
Wie kann die Ansprache von Betrieben gelingen, um diese für eine Zusammenarbeit im IdA-Projekt zu gewinnen? Anhand von drei Projektbeispielen wurden im Rahmen einer Podiumsdiskussion Strategien zum Aufbau einer unternehmensbezogenen Struktur in den Kooperationsverbünden sowie Ansätze zur Zusammenarbeit mit Unternehmen erörtert. Als Beispiele dienten das Projekt INKA des Jobcenters Landkreis Mayen-Koblenz, das Telgter Modell sowie der Arbeitgeberservice des Jobcenters Münster.

Statt zu lamentieren, müssen auch Unternehmen aktiv als Kümmerer dafür sorgen, dass Jugendliche sich entwickeln können, so Magdalena Münstermann, die das von ihr entwickelte Telgter Modell sehr eindrücklich und lebendig vorstellte.
Der Erfahrungsaustausch der Projektträger fand dieses Mal in einem anderen Format, der kollegialen Beratung, statt. In diesem Rahmen konnten sich die Teilnehmenden über die Möglichkeiten des Aufbaus einer unternehmensbezogenen Struktur in ihrem Kooperationsverbund austauschen. Insbesondere ging es darum, welche Vorteile die Kooperation mit einem IdA-Projekt für betriebliche Partner hat.
Anschließend referierte Prof. Dr. Magdalena Stülb von der Hochschule Remagen zum Thema "Transnationale Vernetzungen - Kompetenzerweiterung der Arbeitnehmer und Wettbewerbsvorteile für Arbeitgeber". Dabei ging es um die Personalsituation in Unternehmen und die Anforderungen an Mitarbeitende im Hinblick auf Schlüsselkompetenzen beruflicher Handlungsfähigkeit. "Es begegnen sich niemals Kulturen, sondern immer Menschen. Kulturen sind nicht an Orte und Räume gebunden, sie beziehen sich auf Menschen, die sich einer bestimmten Gruppe zugehörig fühlen." Unter welchen Bedingungen kann die kulturelle Diversität der Belegschaft einen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen bringen? Inwieweit erleichtert interkulturelle Kompetenz den Zugang zu bestimmten Branchen und Arbeitsplätzen bzw. inwieweit können Unternehmen von transnationalen Erfahrungen der Belegschaft profitieren? Das waren weitere Fragestellungen, mit denen sich der abwechslungsreiche Vortrag auseinandersetzte.
Die transnationalen Partner sowie die Partner des vom Bundesarbeitsministerium geleiteten Netzwerks "TLN Mobility (Learning Network on Transnational Mobility Measures for Disadvantaged Youth and Young Adults)" aus Polen, Tschechien und Trento (Italien) wurden am Ende des ersten Tages des Projekttreffens mit einem Improtheater begrüßt und direkt aktiv in den transnationalen Austausch eingebunden.
"Bitte beschreiben Sie einen Wert, der Ihnen persönlich sehr wichtig ist, der in manchen anderen Ländern aber keine große Bedeutung hat. Wie gehen Sie damit um?" So der morgendliche Einstieg mit der interkulturellen Übung listen and learn am zweiten Tag des Vernetzungstreffens. Die Übung ermöglichte den Projektträgern, das Handeln ihrer Partnerorganisationen aus dem europäischen Ausland, aber auch die Wirkung ihres eigenen Verhaltens im transnationalen Kontext zu reflektieren.
EIN TEAM - gemeinsame Verantwortung! Transparenz, Verständnis, Austausch und Konsequenz: An diesem Tag standen die Erfahrungen mit der Entsendung und Aufnahme von Jugendlichen aus den im Rahmen der Mobilitätsprogramme der TLN-Partner geförderten Projekten im Mittelpunkt. An runden Tischen fand in mehreren Diskussionsrunden ein vertiefter Austausch zu den Erwartungen an die pädagogische Betreuung, der Teilnehmergewinnung und Motivation, der Arbeitsmarktintegration und Ergebnissicherung, dem Umgang mit Problemen und Rahmenbedingungen im aufnehmenden Land sowie zu den Anforderungen an den Aufnahmeträger statt. Was tun, wenn ein organisierter Praktikumsplatz einem Teilnehmenden überhaupt nicht zusagt? Wie mit Krankmeldungen während des Praktikums umgehen? Es wurde klar, dass eindeutige Absprachen zwischen der entsendenden und der aufnehmenden Organisation das Wichtigste sind, um beim Auslandsaufenthalt auftretende Schwierigkeiten zu lösen oder besser noch gleich zu vermeiden. Die Projektträger waren sich einig: Beide Organisationen sollten stets in engem Kontakt stehen und eine gemeinsame, klare Linie verfolgen.
Mittlerweile gibt es EU-weit neun IdA-ähnliche Mobilitätsprogramme. Neu dazugekommen ist Slowenien. Seit dem Start der IdA-Projekte im Sommer 2015 haben zwischenzeitlich ca. 1.100 Jugendliche aus Deutschland an einem Auslandspraktikum teilgenommen, während 158 junge Menschen aus Polen, Tschechien, Spanien, Italien und Schweden einen Auslandsaufenthalt mit Praktikum in Deutschland verbrachten.

Erste Ergebnisse, Erfolge und Erkenntnisse aus ihren Mobilitätsprogrammen stellten die polnischen und tschechischen Partner aus dem TLN Mobility-Netzwerk vor. In Tschechien ist das Mobilitätsprogramm mit Integrationsquoten von 80-85 Prozent überaus erfolgreich. Diese Zahlen sind laut Tomas Travnicek aus dem tschechischen Arbeitsministerium vermutlich auch auf die geringe Arbeitslosigkeit im Land zurückzuführen. Für die nächste Förderrunde kündigte er finanzielle Vereinfachung sowie eine Änderung beim Teilnehmendenkreis an. Künftig werden junge, arbeitsuchende Tschechen mit hohen Universitätsabschlüssen nicht mehr zu den potenziellen Auslandspraktikanten gehören.
Eine Konzentration auf geringqualifizierte Teilnehmende sieht auch Polen für die nächste Förderrunde vor. Jacek Gogala aus dem polnischen Arbeitsministerium berichtete, dass rund 50 Prozent der Projektteilnehmenden im Anschluss an das Auslandspraktikum eine Beschäftigung in Polen finden. Als Erfolgsfaktoren haben sich insbesondere eine gute Kommunikation zwischen den Partnern sowie Flexibilität gezeigt.