Attraktive Arbeitgeber in der Lausitz! Welche Rolle spielen dabei moderne Arbeitsmodelle?

Datum
11.02.2021

Menschengruppe in einem Fahrradladen
Das Team der Little John Bikes GmbH © Little John Bikes GmbH

Wie sehen zeitgemäße Arbeitsformen aus, die den Anforderungen unserer VUCA-Welt (die Abkürzung steht für Volatility, Uncerntainty, Complexity, Ambiguity, d.h. Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Mehrdeutigkeit) und den Ansprüchen der sogenannten Generation Y (geboren zwischen 1980 und Mitte der 1990er Jahre) nach Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben entsprechen?

Laut einer auf der Online-Plattform Statista veröffentlichten Umfrage legen 48% der Befragten bei der Wahl ihres zukünftigen Arbeitgebers sehr viel Wert auf gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Familienfreundlichkeit wird damit nach dem Betriebsklima zum zweitwichtigsten Faktor der Arbeitgeberattraktivität.

Hier setzt das ESF-geförderte Projekt " Triple A - Arbeitgeber-Attraktivität durch flexible Arbeitsmodelle " der gemeinnützigen Organisation "Wertewandel - soziale Innovationen und demokratische Entwicklung e.V." an. Das Projekt unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in der Lausitz, die durch den Strukturwandel und die damit einhergehenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt vor großen Herausforderungen stehen. Für die Unternehmen stellen Personalrekrutierung und -bindung die wichtigsten Zukunftsinvestitionen dar, da ihr Erfolg immer stärker von den Mitarbeitenden, deren Qualifikationen, Kompetenzen und ihrer Innovationsfähigkeit abhängig sein wird.

Zwei Frauen vor einem Haus
Corry Kröner & Vivien Eichhorn - Wertewandel e. V. © Wertewandel e.V.

"Auch wir als Projektträger in der Lausitz stellen uns die Frage: Wie attraktiv sind wir als Arbeitgeber?", sagt Corry Kröner vom Wertewandel e.V. "Als wir uns vor etwa vier Jahren über unsere Vorzüge als Arbeitgeber Gedanken machten, war schnell klar: Zum einen sind es die innovativen Themenfelder, in denen wir arbeiten; zum anderen bieten wir unseren Mitarbeiter*innen die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen wir durch flexible Arbeitszeitmodelle und mobiles Arbeiten. Zudem beobachten wir, dass sich vorrangig hochqualifizierte Frauen auf unsere Stellenausschreibungen bewerben. Sie wollen an relevanten Zukunftsthemen mitarbeiten und das mit ihrem Privatleben vereinbaren können. Hinzu kommt, wir haben uns bewusst für Agilität und Selbststeuerung von Mitarbeiter*innen und Teams entschieden. Als Organisation reagieren wir damit einerseits auf die hochdynamische und volatile Arbeitswelt. Andererseits bedeutet es, das agile Mindset in unserer Organisation zu fördern und zu leben."

Klar definiert hat Wertewandel e.V. sein Ziel, so Frau Corry Kröner: "Ziel ist es, autonomes und selbstbestimmtes Arbeiten als zentralen Wert ins Unternehmen zu tragen. Dies trifft den Zeitgeist und damit lässt sich erklären, warum wir trotz der schwierigen Rahmenbedingungen ein attraktiver Arbeitgeber für die Generation Y und für Frauen sind. Wir sind stolz, Unternehmen in der Lausitz weiterzuentwickeln und sie dabei zu unterstützen, sich zukunftsorientiert aufzustellen."

Im Rahmen des ESF-Bundesprogramms "Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern" begleitet Wertewandel e.V. schon seit mehreren Jahren KMU in der Lausitz, die sich zum Ziel gesetzt haben, ein gleichstellungsorientiertes Personalmanagement einzuführen, den Anteil von Frauen zu erhöhen und Voraussetzungen für bessere Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen zu schaffen.

"Durch Einführung einer auf die Lebensphasen der Beschäftigten abgestimmten Personalpolitik, die sowohl die Bedarfe der Unternehmen als auch der Beschäftigten berücksichtigt, werden Frauen und Männern während und nach der Familien- und Elternzeit persönliche und berufliche Entwicklungen ermöglicht", erklärt Corry Kröner. Im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter*innen müssen Unternehmen der Lausitz heute ihre Wettbewerbsvorteile kennen und die Attraktivitätsmerkmale transparent nach außen tragen."

Ein positives Beispiel für heute erforderliche Veränderungsprozesse ist die Little John Bikes GmbH aus Dresden, eines der teilnehmenden Unternehmen im "Triple A - Projekt". Das Traditionsunternehmen ist im Bereich des Fahrradeinzelhandels tätig und beschäftigt heute 246 Mitarbeiter*innen in bundesweit über 30 Filialen, darunter mehrere Filialen in der Lausitz. Ivonne John ist Unternehmerfrau und arbeitet von Beginn an im Familienbetrieb mit. Begonnen hat sie in der Buchhaltung, später wechselte sie in den Einkauf.

Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, brachte sie manchmal auch an ihre Grenzen. Anfangs arbeitete sie in Vollzeit und absolvierte "nebenbei" noch eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten. 2004 wurde sie zum ersten Mal Mutter und blieb ein Jahr zu Hause. Anschließend stieg sie in Teilzeit wieder in den Familienbetrieb ein. Die Firma expandierte weiter. 2011 kam dann ihr zweites Kind zur Welt. Ursprünglich wollte Ivonne John vorübergehend ganz aus dem Unternehmen ausscheiden, aber in Zusammenarbeit mit dem Einkaufsleiter entwickelte sie ein für sich und das Unternehmen passendes Teilzeitmodell. Sie wechselte den Bereich, reduzierte bewusst ihre Stundenzahl auf 20 Stunden und arbeitet öfter mobil, um mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Damit konnte sie ihre familiären mit den beruflichen Bedürfnissen verbinden und dem Unternehmen bleibt eine erfahrene Mitarbeiterin erhalten.

"Prinzipiell ist unsere Branche männerdominiert", berichtet Ivonne John. "In unserer Verwaltung ist das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitenden ausgeglichen. Im Bereich Verkauf und Werkstatt leider nicht. Da besteht noch sehr viel Potenzial. Wir als Unternehmen sind der Überzeugung, dass Frauen inhaltlich andere Ansätze und Denkweisen mitbringen und deshalb stets daran interessiert, diese auch zu fördern. Ein aktuelles Beispiel ist die Einstellung unserer ersten Filialleiterin in Güstrow. Wir wollen Frauen die Möglichkeit bieten, in die Erwerbstätigkeit zu treten." Ein gutes Beispiel und ein wichtiges Handlungsfeld für eine Politik der Chancengleichheit im Unternehmen.

Zwei Personen an einem Strand
Ivonne John & Steffen John - Little John Bikes GmbH © Ivonne John - Little John Bikes GmbH

Wertewandel e.V. begleitet ein anderes Unternehmen derzeit im Rahmen des Projekts "Triple A" und unterstützt die Gründung und den Aufbau eines unternehmensinternen Frauennetzwerkes. Es soll Frauen auf dem Weg zu Führungspositionen Mut machen und ihnen Erfahrungsaustausch und Unterstützung bieten, denn noch gibt es viele Aspekte, die es zu verbessern gilt. So beispielsweise das Aufbrechen von Stereotypen. Noch immer wird in Unternehmen häufig in traditionellen Geschlechterrollen gedacht. Stereotype sind oft noch tief im Berufsalltag verankert.

Für eine Veränderung werden Rollenvorbilder benötigt. Das können Männer sein, die Elternzeit in Anspruch nehmen oder Frauen, die Führungspositionen in männerdominierten Branchen übernehmen. Die aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung "Wer gewinnt? Wer verliert?" zeigt, dass gerade Mütter in Bezug auf Chancen und Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt das Nachsehen haben. Bei ihnen führen Kinder immer noch zu einer deutlichen Minderung des Lebenserwerbseinkommens, wogegen sich das bei Vätern nur gering auswirkt. Weder Frauen noch Männer sollen sich zwischen Beruf und Privatleben entscheiden müssen. Ziel der Arbeitgeber muss es sein, die Bedürfnisse von Mitarbeitenden in ihren Lebensphasen zu erkennen und entsprechende Angebote zu entwickeln. Jedes Unternehmen sollte sich daher mit lebensphasenorientierter Personalpolitik auseinandersetzen.

Menschengruppe vor Leinwänden
Workshop: Steigerung der Arbeitgeberattraktivität - Projekt "Triple A" © Wertewandel e.V.

Als Projektinitiator und -träger von "Triple A" ist Wertewandel e.V. stark daran interessiert, KMU aus der Lausitz in den Fokus zu stellen, Frauen aus diesen Unternehmen zu begleiten und sie in ihren Kompetenzen zu fördern. Im Januar 2021 ist der zweite Durchgang in diesem Projekt gestartet, an dem auch Unternehmen teilnehmen, die bereits von Frauen geleitet werden.

Das ESF-Programm "Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern"

Mit der ESF-Sozialpartnerrichtlinie "Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern" unterstützt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die Anstrengungen der Sozialpartner und betrieblichen Akteure bei der Fachkräftesicherung und Anpassung an den demografischen und technologischen Wandel. Das Programm wurde in enger Abstimmung mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) entwickelt, begleitet und umgesetzt.

Über die direkte Arbeit in Betrieben und mit ihren Beschäftigten zielen die Projekte auf den Ausbau nachhaltiger Weiterbildungsstrukturen in Unternehmen und die Verbesserung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt. Die Regiestelle "Fachkräfte sichern", eine Arbeitsgemeinschaft des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung (f-bb) und des DGB Bildungswerks, begleitet die organisatorische und inhaltliche Umsetzung der Initiative.

Weitere Informationen zum ESF-Programm "Fachkräfte sichern" finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Website der Regiestelle des Programms.

Kontakt: info@regiestelle-fachkraefte-sichern.de

Wir bedanken uns bei Ivonne John von Little John Bikes und bei Corry Kröner vom Wertewandel e.V. für das Gespräch, auf dessen Grundlage Vivien Eichhorn von Wertewandel e.V. diesen Text erstellt hat.

Weitere Informationen zum Projektträger finden Sie unter: www.wertewandel-verein.de

Auszug aus dem ESF-Newsletter