Gelebte Sozialpartnerschaft - Zwischenbilanz im ESF Plus-Programm "Wandel der Arbeit"
- Datum
- 08.05.2025
Seit Juni 2022 läuft die ESF-Sozialpartnerrichtlinie "Wandel der Arbeit". Nun konnte bei einer bundesweiten Fachtagung in Berlin eine Zwischenbilanz gezogen werden. Projektverantwortliche, Sozialpartner, Unternehmen, Fachverantwortliche aus Bundesministerien und weitere Akteure tauschten sich zu best practice Beispielen, Transfer- und Weiterentwicklungspotenzialen aus.
Eingeladen zu der bundesweiten Fachtagung der ESF-Sozialpartnerrichtlinie "Wandel der Arbeit" am 07. Mai 2025 hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in Zusammenarbeit mit der Regiestelle des Programms beim Forschungsinstitut Berufliche Bildung und Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben e. V.
Zum Auftakt begrüßte Dr. Carsten Stender, Abteilungsleiter für Europäische und Internationale Beschäftigungs- und Sozialpolitik im BMAS, die rund 220 Teilnehmenden. In seiner Rede verdeutlichte er den Handlungsbedarf, den die Förderrichtlinie adressiert: "Wir beobachten große Transformationsprozesse in der Arbeitswelt: Digitalisierung, Dekarbonisierung, demografischer Wandel." Diese Dynamiken verursachen Anpassungsdruck bei Unternehmen aller Betriebsgrößen und Beschäftigten aller Qualifikationsebenen.
„Da Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen vom Wandel betroffen sind, ist es nur sinnvoll und notwendig, den Weg in die Veränderung sozialpartnerschaftlich zu gehen“, so Abteilungsleiter Dr. Stender. Der sozialpartnerschaftliche Ansatz des Programms ist eine Besonderheit in Europa und ein Erfolgskonzept: Die ESF-Sozialpartnerrichtlinie ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und läuft mittlerweile in der dritten Programmperiode, bzw. bereits seit 16 Jahren.
Eine Podiumsrunde, die mit Elke Hannack (stellv. Vorsitzende des DGB), Christina Ramb (Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA), Patrick Paquet (Referatsleiter in der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration der EU-Kommission) sowie Wolfgang Husemann (Leiter der Gruppe Europäische Fonds für Beschäftigung, Digitale Transformation im BMAS) besetzt war, widmete sich am Vormittag daher u. a. dem besonderen Mehrwert des sozialpartnerschaftlichen Modells und blickte in die Zukunft der sozialpartnerschaftlichen Gestaltung des Wandels der Arbeitswelt.

Um den aus diesem Wandel resultierenden Herausforderungen zu begegnen und Fachkräfte zu sichern, nimmt die ESF-Sozialpartnerrichtlinie zwei zentrale Ziele in den Blick:
- betriebliche Weiterbildung fördern und
- Gleichstellung in Unternehmen voranbringen.
Betriebe werden dabei unterstützt, vorhandene Potenziale von Beschäftigten zu erschließen, Qualifikationen an veränderte Anforderungen anzupassen und eine nachhaltige Personalpolitik und Unternehmenskultur zu gestalten, die auch die gleichberechtigte, existenzsichernde Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt stärkt. Dabei ist die Einbeziehung der Sozialpartner Fördervoraussetzung, sodass Unternehmen und Beschäftigte den Wandel der Arbeit gemeinsam gestalten.
Wie das in der Praxis funktioniert, erläuterten Vertreter*innen zweier Projekte in einer weiteren Gesprächsrunde auf dem Podium. Im Projekt "InnoWerk" der Robert Bosch GmbH werden Beschäftigte in der Automobilindustrie, die beruflich gering qualifiziert sind und nur schwer Zugang zu zielgruppengerechten Weiterbildungsangeboten finden, in ihren digitalen Kompetenzen gestärkt, sodass sie Angebote zum selbstgesteuerten Lernen wahrnehmen können. Dies gelingt durch die Förderung der Lern- und Veränderungskompetenz der Mitarbeitenden und die Etablierung von Lernbegleiter*innen.
Das Projekt "STAFF*Lausitz" des Vorhabenträgers Wertewandel e. V. wiederum unterstützt insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in metropolfernen Räumen bei der Steigerung ihrer Attraktivität als Arbeitgeber, indem Gleichstellung (stärker) in ihrer Unternehmenskultur verankert wird. Die Unternehmen nehmen an Weiterbildungen teil, etwa zu Chancengleichheit in der Personalentwicklung und werden bei der Entwicklung und Erprobung innovativer Konzepte begleitet. Eines der teilnehmenden Unternehmen ist das Architekturbüro Alexander Poetzsch Architekturen. Im Rahmen des Projekts führte es in einer viermonatigen Testphase eine Vier-Tage-Woche für alle Mitarbeitenden ein, um die Effekte auf die Work-Life-Balance und die Produktivität zu erproben.
Genau solche Erfahrungswerte wurden am Nachmittag auch in vier verschiedenen Fachforen ausgetauscht. Diskutiert wurde hier jeweils zu den Themen betriebliche Weiterbildung, Gleichstellung im Betrieb, regionale Netzwerke und nachhaltige Integration von Innovationen. Gerade der innovative Ansatz ist ein Erfolgsfaktor des Programms. „Die Förderrichtlinie bietet Unternehmen den Raum und die Unterstützung, um neue Modelle zu entwickeln und ergebnisoffen umzusetzen“, lobte Wolfgang Husemann zuvor bereits im Podiumsgespräch. Neue Konzepte wagt etwa das Projekt "InnoPro", das sich im Fachforum Innovation vorstellte. Dieses entwickelt eine digitale Arbeitsprozesslandkarte eines Musterhafens. Damit adressiert es weiterbildungsferne Beschäftigte der deutschen Seehafenwirtschaft, die bislang nicht von digitalen Lernformaten erreicht wurden und eine geringe digitale Affinität aufweisen. Die Landkarte stellt multimedial Arbeitsprozesse und Zusammenhänge dar und bietet so eine ansprechende, niedrigschwellige Informationsplattform, die zum digitalen Lernen motiviert und Barrieren für berufliche Weiterbildung abbaut.
Beispiele wie diese unterlegen, dass bei der Weiterbildungsbeteiligung große Unterschiede im Hinblick auf das Qualifizierungsniveau der Beschäftigten bestehen: Hochqualifizierte Personen nehmen mehr als doppelt so häufig an betrieblichen Weiterbildungen teil, wie Menschen ohne Berufsabschluss. Abteilungsleiter Dr. Stender betonte daher in seinem Grußwort bereits zu Beginn der Veranstaltung: „Wenn Weiterbildung alle erreichen soll, kommt vor allen den Sozialpartnern eine wichtige Rolle zu. Nur so kann es gelingen, den Bedarfen aller Beteiligten gerecht zu werden.“
Eine performative Intervention durch Vertreter*innen des Projekts "Culture.Care.", das sich für sorgearbeitsfreundliche Strukturen am Theater einsetzt, sowie ein Poster-Rundgang durch die Projekte rundeten das Tagungsprogramm ab.
In der aktuellen Förderperiode werden bereits 108 Vorhaben gefördert, die in fünf Förderaufrufen ausgewählt wurden. Dadurch konnten schon jetzt über 10.000 Teilnehmende erreicht werden. Aktuell läuft die Auswahl der Projekte des sechsten Aufrufs. Das Programm läuft noch bis Ende 2028.