Mikroprojekt "Polit-Parcours - Refugees Welcome"
- Datum
- 08.10.2018
Die Zerrissenheit könnte größer nicht sein: Auf der einen Seite die solidarische Hilfsbereitschaft von Hunderttausenden, auf der anderen eine wachsende antidemokratische Haltung und zahlreiche Formen rassistischer Gewalt. Kaum ein Thema polarisiert gegenwärtig so sehr wie der Umgang mit Geflüchteten bzw. Schutzsuchenden in Europa. Auch Heranwachsende müssen sich dazu einen Standpunkt erarbeiten und Stellung beziehen.
Um Jugendliche dabei zu unterstützen, hat die "Außerschulische Jugendbildung" des bsj e.V. gemeinsam mit der ebenfalls im Verein angesiedelten Fachstelle "misch mit! Miteinander Vielfalt (er)leben" im Jahr 2017 das Konzept eines "Polit-Parcours" entworfen. Dieser wurde nun im Rahmen des Mikroprojekts Polit-Parcours - Refugees Welcome durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weiterentwickelt, beworben und organisiert. Mikroprojekte stellen einen von insgesamt vier Bausteinen des ESF-Programms JUGEND STÄRKEN im Quartier - JUSTIQ dar und können ergänzend zur individuellen Einzelfallhilfe angeboten werden. Die in der Regel als Gruppenmaßnahmen konzipierten Projekte, sollen soft skills der Teilnehmenden fördern und gleichzeitig einen Mehrwert für das benachteiligte Quartier schaffen.
Im Mikroprojekt Polit-Parcours - Refugees Welcome wurden die jungen Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren mit eigener Fluchterfahrung zunächst über die bestehenden Inhalte des Parcours informiert. Daraufhin wurden ihre Anregungen und Ideen in das bestehende Konzept eingearbeitet. Im Anschluss wurden sie für die Begleitung durch den Parcours qualifiziert und führten gemeinsam mit einer Honorarkraft Kleingruppen, bestehend aus Schülerinnen und Schülern der siebten und achten Jahrgangsstufe, durch den Parcours. Auch Angehörige der jungen Menschen und interessierte Anwohnerinnen und Anwohner konnten den Parcours an einem offenen Nachmittag besuchen.
Das Projekt soll dazu dienen, den Besucherinnen und Besuchern das Thema Flucht aus verschiedenen Perspektiven näher zu bringen und dazu anregen, über Menschenrechte, Meinungsbildung, Fluchtwege und Integration zu diskutieren. Ziel des Projektes ist, festgefahrene Meinungen zu hinterfragen und neue Perspektiven zu eröffnen.
Anders als in einer klassischen Ausstellung werden die Schülerinnen und Schüler, die den Parcours durchlaufen, dazu aufgefordert, an den einzelnen Stationen selbst aktiv zu werden. So werden sie an einer Station des Parcours gebeten, innerhalb von nur drei Minuten aus einer Fülle von Gegenständen fünf auszuwählen, die in eine kleine Tasche für die Flucht gepackt werden. Hier zeigt sich, dass ein Handy - das häufig als Zeichen des Wohlstands der Flüchtlinge gewertet wird - von fast allen Teilnehmenden eingepackt wird, stellt dieses schließlich die einzige Verbindung in die Heimat dar.
An einer anderen Station werden die Daten der Flucht sowie die Schicksale von drei jugendlichen Flüchtlingen aus dem Nordwesten Syriens nach Deutschland aufgearbeitet. Dass die Flucht von Ali aus Idlib insgesamt drei Jahre gedauert hat und eine Flucht unzählige Hindernisse mit sich bringt, hätten viele Schülerinnen und Schüler nicht erwartet.
Bei einem Brettspiel an einer anderen Station des Rundgangs lässt sich erahnen, was es bedeutet, eine Flucht zu planen - mit allen Unvorhersehbarkeiten, die einen in Form von Ereigniskarten erwischen können. Für Geflüchtete allerdings keine spielerische Erfahrung, sondern immer bittere Realität.
Die jungen Menschen, die den Parcours besuchen, sollen durch die Konfrontation mit persönlichen Schicksalen und den intensiven Austausch über die Thematik dazu angeregt werden, sich selbst Gedanken zu machen und neue Sichtweisen zu gewinnen oder alte zu revidieren. Der interaktive Ansatz des Politparcours lässt die Jugendlichen erfahren, wie wichtig die Idee von Gesellschaft als Solidargemeinschaft ist.
Das Projekt wird im Rahmen des Programms JUGEND STÄRKEN im Quartier - JUSTIQ vom Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Bundesministerium des Inneren für Bau und Heimat (BMI) und dem Europäischen Sozialfonds gefördert. Mehr Informationen zum Programm finden Sie hier.