Forschungsprojekt "Hierda": Auch digitale Arbeit braucht sozialen Austausch

Datum
15.05.2020

Das ESF geförderte Forschungsprojekt "Hierda" untersucht Coworking-Spaces als Gestaltungsmöglichkeit einer humanen, digitalisierten und innovativen Arbeitswelt.

Digitalisierung ermöglicht immer mehr und umfangreichere Austauschprozesse und Arbeit trotz räumlicher Distanz. Wir sehen heute in Zeiten von COVID-19 immer eindringlicher, dass virtuelle Arbeit zu einem elementaren Baustein der Wertschöpfung werden kann. Aber es wird auch deutlich, dass virtuelle digitale Arbeit und mediale Interaktion eine soziale Isolation nicht ganz überwinden können.

Vielleicht wird uns die aktuelle COVID-19 Situation zeigen, dass Unternehmen virtuelle digitale Arbeit und Online-Konferenzen in Zukunft stärker nutzen können, aber diese auch mit zumindest temporärer sozialer Interaktion verbinden müssen.

Wie digitale Arbeit offener, flexibler und dennoch mit sozialer Nähe verbunden werden kann, untersucht das ESF geförderte Forschungsprojekt "Hierda". Coworking-Spaces bieten einen offenen Raum für meist digitale Arbeit, ergänzt um soziale Räume und vielleicht auch geteilte digitale und nicht digitale Arbeitsmittel wie 3D Drucker oder Werkbänke. In Coworking-Spaces können Menschen allein arbeiten, insbesondere ihre digitalen Arbeitsinhalte erledigen, sie können aber auch gemeinsam experimentieren, nachdenken, kreativ werden oder einfach nur Spaß haben. Auch wenn jetzt noch Kontakteinschränkungen bestehen, wird vielleicht in Zukunft eine Symbiose aus digitaler Arbeit im privaten und im offenen Raum mit sozialer Interaktion eine neue Ära der Arbeitswelt einläuten.

Zwei Personen an einem Tisch
Zwei Coworkende im Austausch über digitale Technologien © Bouncken

Wie wir allerdings schon in dem Projekt "Hierda" sehen können, bergen Coworking-Spaces (auch ohne Kontaktverbote) neben Vorteilen auch Hindernisse und Gefahren. Intelligentes Management von Coworking-Spaces, die Nutzung von Offenheit und Durchlässigkeit und zugleich die Herstellung und Bewahrung von Gemeinschaftswerten, erlaubt, die Vorteile von Coworking-Spaces herauszuarbeiten. Es hat sich herausgestellt, dass im Rahmen von Coopetition (Vermischung von Cooperation, Kooperation, und Competition, Wettbewerb) ein offener Austausch förderlich ist. Themen wie Datenschutz, Betriebsgeheimnis, Diebstahl geistigen Eigentums von Coworkenden werden nur in sehr geringem Ausmaß als betriebsgefährdend betrachtet.

Aber Coworking-Spaces "verjüngen" nicht nur etablierte Unternehmen. Die digitalen Nomaden, Solo-Selbständigen oder auch Gründer brauchen einen Raum für kreative, flexible und dynamische Arbeit und Teams. Gleichzeitig steigt die Anzahl an (Solo)-Selbstständigen und Start-ups kontinuierlich. Coworking-Spaces bieten dafür einen Raum.

Coworking-Spaces in etablierten Unternehmen oder von eigenständigen Betreibern bieten zum einen eine grundlegende Infrastruktur wie Arbeitsplatz, Internet, Konferenzräume und Drucker, häufig ergänzt um weitere Dienstleistungen wie Postfächer und Catering für Veranstaltungen. Zum anderen finden die Nutzer eine lebendige Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, Couchlandschaften, Küchen zum gemeinsamen Kochen oder einem kleinen Freizeitangebot wie Kicker oder Tischtennisplatten.

Flexible Raumkonzepte und eine Ausstattung mit neuesten Technologien wie 3D-Druckern oder Augmented Reality (AR-) und Virtual Reality (VR-) Brillen vervollständigen das Angebot und machen die Co-Working-Spaces beliebt bei Innovatoren und Gründenden aus allen Bereichen. Coworkende können diese Räumlichkeiten - abhängig von detaillierten Ausgestaltungen - flexibel nutzen.

Coworking-Spaces verändern nicht nur traditionelle Organisationsstrukturen, sie dienen auch als Innovations-Hub. Daher wurde in das Forschungsprojekt "Hierda" neben dem Lehrstuhl für Strategisches Management und Organisation an der Universität Bayreuth (Prof. Bouncken) auch der Lehrstuhl für Marketing und Innovation an der Universität Bayreuth (Prof. Baier) eingebunden. Für die Praxisnähe sorgt der Partner WITENO GmbH aus Greifswald. WITENO betreibt dort aktuell einen kleinen Coworking-Space mit 26 Arbeitsplätzen auf ca. 350qm. Aktuell wird zusätzlich unter Leitung von WITENO ein Konzept für ein ca. 8.000qm großes Innovationszentrum mit Coworking-Space entwickelt.

Eine Frau auf einer Couch
Prof. Bouncken, Projektleitung; Flexibles Raumtrennsystem, errichtet als Couch mit Beistelltisch © Bouncken

Frau Prof. Ricarda Bouncken, "Hierda"-Projektleiterin, konstatiert: "Für den Aufbau und den Betrieb sind ein gestärktes Gemeinschaftsgefühl, eine professionelle Moderation und ein Coaching der Gruppen die wesentlichen Erfolgsfaktoren. Im "Hierda"-Projekt haben wir die geeigneten Leitfäden und Konzepte entwickelt." Die Ergebnisse, die mit der Unterstützung vieler Umsetzungspartner erarbeitet werden konnten, werden kontinuierlich auf der Projekthomepage veröffentlicht (www.hierda.net). Um den Praxistransfer zu gewährleisten, beteiligt sich das Projekt "Hierda" u.a. aktiv am Aufbau des neuen Innovationszentrums in Greifswald und unterstützt die dortige Projektleitung mit wissenschaftlicher Expertise.

Das Forschungsprojekt "Hierda" wird im Rahmen des Programms "Zukunft der Arbeit" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Das Programm greift die Herausforderungen auf, die für Unternehmen (insbesondere KMU) und Menschen durch Strukturwandel, Technisierung und zunehmende Globalisierung in der Arbeitswelt entstehen und lädt Unternehmen und Forschungseinrichtungen ein, mit innovativen Forschungsprojekten aktiv die Zukunft unserer Arbeitswelt mitzugestalten. Ziel des Programms ist es, technologische und soziale Innovationen gleichermaßen voranzubringen. Dazu sollen neue Modelle der Qualifizierung, der Gesundheitsprävention, der Arbeitsgestaltung und -organisation in und mit Unternehmen entwickelt und als Pilotprojekte in die betriebliche Praxis überführt werden. Dabei liegt der Fokus besonders auf branchenübergreifenden und interdisziplinären Projekten.

Weiterführende Informationen zum Programm "Zukunft der Arbeit" finden Sie hier.

Das BMBF veranstaltet im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 21. und 22. Oktober 2020 in Bonn die Europäische Arbeitsforschungstagung "beyondwork2020". Das vorgestellte Projekt "Hierda" präsentiert auf der Tagung seine Ergebnisse. Internationale Expert*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft öffnen den Austausch zu den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Arbeitsforschung. Interessierte finden weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung unter www.beyondwork2020.com.

Auszug aus dem ESF-Newsletter