Ein "Kompass" für Digitalisierung und Kulturwandel - das "rückenwind+"-Projekt "Arbeiten 4.0" der V3D gGmbH

Datum
16.12.2020

Der Praxisbezug ist im "rückenwind+"-Projekt des Bundesverbandes diakonischer Einrichtungsträger V3D gGmbH zentral: sechs diakonische Träger in Brandenburg, Sachsen und Thüringen setzen seit 2018 Modellprojekte in ihren Unternehmen um. Hier entwickeln und testen sie Konzepte zum Einsatz neuer digitaler Technologien, um die Arbeitsorganisation zu vereinfachen und gleichzeitig die Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden zu erhöhen.

Gemeinsam einen "Kompass" für den Umgang mit strukturellem und organisationalem Wandel in diakonischen Einrichtungen zu erarbeiten, das ist das übergreifende Ziel des "rückenwind+"-Projekts "Arbeiten 4.0 - Personal- und Organisationsentwicklung vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung". Die Arbeitsbereiche erstrecken sich von digitaler Zeit- und Planungssteuerung über unternehmensinterne Kommunikation und agiler Arbeitsgestaltung bis hin zu Kompetenzerwerb und -erweiterung der Mitarbeitenden. Das Projekt ist 2018 im Rahmen des Themenschwerpunkts "Arbeit 4.0 & Digitalisierung" im ESF-geförderten Programm "rückenwind+" gestartet.

Konzepte im Praxistest

Nach zweijähriger Arbeit werden derzeit im "rückenwind+"-Projekt "Arbeiten 4.0" der V3D gGmbH in einigen Modellprojekten erste Ansätze in der Praxis erprobt, andere starten in die Pilotphase. Die Vorhaben sind vielfältig:

Kommunikationswege vereinfachen

Zum Beispiel in der Stephanus Stiftung mit einer Piloteinrichtung in Brandenburg, einer diakonischen Einrichtung im Bereich der Eingliederungshilfe. Hier ist es das Ziel, die Kommunikationswege der Mitarbeitenden in der ambulanten Betreuung zu vereinfachen: Mittels eines Tablets können sie Termine in ungeplanten Situationen (z. B. bei kurzfristig erforderlichem Diensttausch) schneller neu organisieren. Eine weitere Optimierung der internen Kommunikation betrifft die transparente und zeitgenaue Dokumentation von Leistungen: Diese wird nun von den Klient*innen direkt vor Ort digital quittiert. Dabei reduziert der mobile Datenzugang zu den online hinterlegten Informationen deutlich den administrativen Aufwand und ermöglicht so mehr Zeit für die Betreuung der Klient*innen.

Digitales Fortbildungs- und Wissensmanagement

Zwei weitere Unternehmen, das Berufsbildungswerk Leipzig und das Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie BETHANIEN Hochweitzschen der Agaplesion Mitteldeutschland, entwickeln ein digitales Fortbildungs- und Wissensmanagement. Zum einen geht es hier um die unternehmensweite, digital-unterstützte Vernetzung von Arbeitsprozessen im Fort- und Weiterbildungsbereich. Zum anderen wird eine agile interaktive (Wissens-)Plattform entwickelt: Mit ihrer Hilfe sollen innerbetrieblicher Wissenserhalt, -erwerb und -transfer organisiert werden. Hierdurch wird die Alltagsarbeit für die Mitarbeitenden vor Ort fachlich und zeitnah unterstützt sowie der Austausch unter den Mitarbeitenden ermöglicht. Ziel ist es zudem, selbstbestimmtes Lernen zu fördern.

Moderator vor einer Leinwand
Teilnehmende im Erfahrungsaustausch (15.01.2020, Wittenberg) © Maria Behrendt

Unternehmensinterne Kommunikation

Ein weiteres Kernthema für Modellvorhaben im Rahmen des "rückenwind+"-Projekts "Arbeiten 4.0" ist die unternehmensinterne Kommunikation: So bestand im Krankenhausbereich des evangelischen Diakonissenhauses Berlin Teltow Lehnin die Herausforderung, die für die Patient*innenversorgung relevanten Prozesse (z. B. Pflegedokumentation oder ärztliche Visite) sowie insbesondere die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Ärzt*innen, Pflegediensten und Therapeut*innen zu vereinfachen und Doppelstrukturen zu minimieren.

Mit Unterstützung des "rückenwind+"-Projekts wurde hier eine "mobile Visite" eingeführt. Dabei handelt es sich um bewegliche Computerarbeitsplätze, über die Ärzt*innen und Pflegekräfte einen schnellen Zugriff auf Patient*innendaten haben. Dadurch können fachliche Entscheidungsprozesse deutlich vereinfacht und beschleunigt werden.

Bei der Diakonie St. Martin in Sachsen, in einem weiteren Modellvorhaben zu dieser Thematik, liegt der Fokus auf der Entwicklung verbesserter und zukunftsgerichteter agiler Kommunikations- und Informationsstrukturen mit digitaler Unterstützung. Hier geht es vor allem um die Bereiche Liegenschafts-, Dokumenten-, Vertrags- und Bewerbungsmanagement. Informationen sollen schnell, dezentral und digital zur Verfügung gestellt werden, um die Zusammenarbeit bereichsübergreifend zu befördern.

Digitalisierung fordert Unternehmenskultur heraus

Steffen Decker, der Projektleiter des "rückenwind+"-Projekts, sieht die Rückmeldungen der Projektbeteiligten insgesamt positiv: "Die digitale Technik bietet für die mitwirkenden Unternehmen große Potenziale." Und er fasst rückblickend zusammen: "So vielversprechend die Themenstellungen der einzelnen Modellvorhaben in unserem Projekt sind, so groß war bislang mancher Umweg bis zum Ziel. Gerade die allseits bekannten Rahmenbedingungen, die bei Trägern der Freien Wohlfahrtspflege bestehen, bestimmen auch das "rückenwind+"-Projekt "Arbeiten 4.0": Vor allem die hohe Arbeitsbelastung, der Fachkräftemangel und die teils unzureichende technische Infrastruktur erschweren deutlich die digitalen Transformationsprozesse."

Das wirke sich auf das "rückenwind+"-Projekt aus, meint Maria Behrendt, die Projektkoordinatorin von "Arbeiten 4.0": "Im Projektverlauf haben wir uns einigen Herausforderungen stellen müssen und zum Teil waren größere Anpassungen in einzelnen Modellvorhaben und auch in unserem übergreifenden Projektmanagement erforderlich."

Eine Frau
Maria Behrendt (Projektkoordinatorin "Arbeiten 4.0", Bundesverband diakonischer Einrichtungsträger V3D gGmbH) © Maria Behrendt

Im laufenden Betrieb digital-gestützte Personal- und Organisationsentwicklung umzusetzen, brauche einen langen Atem und umso stärker seien daher die Erfolge zu würdigen, meint Projektleiter Decker. So sei es ein wichtiger Erfolg, dass die im Projekt mitwirkenden Unternehmen und ihre Mitarbeitenden überwiegend zurückgemeldet haben, dass sie die Möglichkeit, parallel zum Arbeitsalltag neue digital unterstützte Arbeitsformen zu entwickeln, als positiv wahrnehmen.

Eine große Rolle spiele dabei die Unternehmenskultur, meint Decker weiter, denn es sei beispielsweise wichtig, Freiraum zu ermöglichen, damit Mitarbeitende durch experimentellen Umgang mit digitalen Technologien langfristig ihre digitale Kompetenz auf- und ausbauen können: "Über Ausprobieren, Scheitern und Neustarten wird gelernt, welche digitale Arbeitsweise unter welchen Gegebenheiten zum Erfolg führt." Und Projektkoordinatorin Behrendt fügt hinzu: "Damit wird es den Mitarbeitenden ermöglicht, ergebnis- und zielorientierte Handlungsstrategien im Spannungsfeld 'analog versus digital' - und damit ihre digitale Kompetenz - zu entwickeln." Digitale Kompetenz, da sind sich Steffen Decker und Maria Behrendt einig, werde in vielen Arbeitsfeldern künftig zu einem der wichtigsten Faktoren im Qualifikationsprofil.

Ein Mann
Steffen Decker (Projektleiter "Arbeiten 4.0", Bundesverband diakonischer Einrichtungsträger V3D gGmbH) © Steffen Decker

Eine im Projektverlauf wiederkehrende Frage begleitet das Projektteam von "Arbeiten 4.0" der V3D gGmbH bis zum Projektabschluss weiter: Wie können bei den Mitarbeitenden Interesse und Offenheit gegenüber zunehmend digital geprägten Arbeitsprozessen geweckt und erhalten werden?

Vermutlich wird es keinen einheitlichen Weg dafür geben können. In welche Richtung(en) struktureller und organisationaler Wandel in diakonischen Einrichtungen aber gehen kann - dazu sind mit Hilfe des gemeinsam erarbeiteten "Kompass" sicherlich bald erste Empfehlungen möglich.

Eine Grafik
"Arbeiten 4.0"-Kompass © Bundesverband diakonischer Einrichtungsträger V3D gGmbH

Weitere Informationen finden Sie hier:

Das ESF-Programm "rückenwind - Für die Beschäftigten und Unternehmen in der Sozialwirtschaft"

Das ESF-Programm "rückenwind - Für die Beschäftigten und Unternehmen in der Sozialwirtschaft" (kurz: "rückenwind+") ist ein im Jahr 2015 gestartetes Förderprogramm zur Fachkräftesicherung in sozialen Berufsfeldern. Ansatzpunkt ist die Personal- und Organisationsentwicklung in Unternehmen und Verbänden der gemeinnützigen Sozialwirtschaft. Ziel der Förderung ist die Verbesserung der Anpassungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten in der Sozialwirtschaft in Verbindung mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Organisationsstrukturen in den Einrichtungen, Diensten und Verbänden.

Das Förderprogramm wurde gemeinsam vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der BAGFW entwickelt. Gefördert wird es aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und aus Bundesmitteln. Bis 2019 wurden knapp 18.700 Beschäftigte und 800 Unternehmen beraten.

Weitere Informationen zum Programm "rückenwind+" finden Sie auf dem ESF-Webportal, auf der Programmwebsite und dem Twitter-Profil.

Kontakt: regiestelle@bag-wohlfahrt.de

Auszug aus dem ESF-Newsletter