Forschungsprojekt "Montexas4.0" verbessert Assistenzsysteme in der Produktion

Datum
29.10.2020

Im Zentrum des durch den ESF unterstützten Forschungsprojekts "Montexas4.0" steht die Einführung und Entwicklung innovativer, informatorischer Assistenzsysteme in der manuellen Montage sowie die Analyse der Auswirkungen solch unterstützender Systeme auf die Produktivität und die Beanspruchung der dort Beschäftigten in der Montage.

Eine steigende Anzahl von Produktvarianten, die Integration von Zusatzfunktionen in Erzeugnisse oder kürzere Produktlebenszyklen erhöhen die Komplexität in der Montage und erfordern die Bewältigung von zunehmend mehr Informationen durch die Arbeitnehmer*innen. Anschwellende Informationsflüsse müssen neu bewertet und organisiert werden und führen zu einer Neuausrichtung der Arbeitsgestaltung hin zu einer Ergonomie, die stärker auch kognitive Anforderungen an die Belegschaft stellt.

Sogenannte informatorische Assistenzsysteme können dabei helfen, die Informationsflut zu steuern und dadurch auftretende Entscheidungsunsicherheiten zu vermeiden, Fehlerzahlen zu mindern und erforderliche An- sowie Umlernprozesse zu beschleunigen. Zugleich müssen sie trotz zusätzlich bereitgestellter Informationen zu einer kognitiven Entlastung beitragen. Zu diesen Zwecken steht eine Vielzahl unterschiedlicher Assistenzsysteme zur Auswahl, die in das bestehende Montagesystem und die vorhandene IT-Infrastruktur integriert werden müssen, um die richtige Information in der rechten Form zur rechten Zeit am richtigen Ort liefern zu können. Eine hohe Anforderung, die nicht zu unterschätzen ist.

Im Rahmen des Projektes "Montexas4.0" wurden diverse Assistenzsysteme wie Augemented Realitiy (AR)-Brillen (Abb. 1), Projektionssysteme (Abb. 2) oder Tablets in Feld und Labor hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Potenziale und der Auswirkungen auf den Menschen untersucht sowie ein Fragebogen zur Potenzialabschätzung in unterschiedlichen Arbeitssystemen entwickelt.

Ein Mann an einer Werkbank
Freie Hände bei der Montage durch die Nutzung einer AR-Brille zur Einblendung von Montageinformationen (Andreas Schulz) © Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Labor für Industrial Engineering, Prof. Sven Hinrichsen

Ferner wurden Lösungsansätze erprobt, die ganz auf die betrieblichen und technischen Voraussetzungen der Unternehmenspartner zugeschnitten waren, nachdem erkennbar wurde, dass marktgängige Assistenzsysteme den betrieblichen Anforderungen nicht immer gerecht werden konnten. Dies betrifft neben der Gestaltung der Hardware vor allem die erforderliche Software sowie die Einbindung des Assistenzsystems in die bestehenden IT-Infrastrukturen. Obwohl viele Unternehmen noch nicht auf eine umfassende Vernetzung verschiedener operativer Bereiche vorbereitet sind, wollen sie aber auch keine vorläufigen Insellösungen, die später wieder zurückgenommen werden müssen.

Ein Mann an einer Werkbank
Projektion als Assistenzsystem: Kombination von Montagehinweisen und Pick-by-Light (Sven Bendzioch) © Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Labor für Industrial Engineering, Prof. Sven Hinrichsen

In diesem konkreten Fall bestand das Projektkonsortium aus zwei wissenschaftlichen und zwei anwendungsorientierten Partnern:

  • die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe
  • die Universität Greifswald - Institut für Psychologie
  • die Homag Kantentechnik GmbH
  • die Spier GmbH & Co. Fahrzeugwerk KG

In zwei prototypischen Fällen wurde ein individuell zugeschnittenes Assistenzsystem in ein bestehendes Montagesystem integriert. Im ersten Fall kamen im Zuge einer bedarfsgerechten Umstrukturierung der Materialbereitstellung an einem Montagearbeitsplatz verschiedene Low-Budget Systeme zur Codierung der Container-Position zum Einsatz. Als Ausgangspunkt diente dabei das aktuell eingesetzte zehnstellige Codierungssystem, welches verschiedenen Systemen mit geringerem Informationsaufwand gegenübergestellt wurde. Dabei kamen ein dreistelliges System mit Farbcodierung, ein einstelliges System mit Farb- und Formcodierung sowie ein Pick-by-Picture System zum Einsatz (Abb. 3).

Wie erwartet zeigte sich für alle drei erprobten Systeme eine deutliche Reduktion der Pick-Zeiten um etwa 80 %. Die Ursache ist in der Kapazitätsgrenze des menschlichen Arbeitsgedächtnisses zu sehen, welche bei ca. sieben Informationseinheiten pro Entscheidungs- und Auswahlsituation liegt.

Technisches Schaubild
Exemplarische Darstellung des 1-stelligen Systems mit Farb- und Formcodierung © Universität Greifswald, Institut für Psychologie, Prof. Manfred Bornewasser

Eine Besonderheit des zweiten Anwendungsfalles lag in den räumlichen Ausdehnungen des zu bearbeitenden Montageobjektes. Diese schränkten die Einsatzmöglichkeiten herkömmlicher Assistenzsysteme von Anfang an ein. Im Rahmen der Entwicklung eines geeigneten Prototyps wurde zunächst eine Reduktion der Information vorgenommen, und zwar auf die Angaben, die für den Montagewerker zwingend erforderlich waren. Durch die Integration eines LED-basierten Put-To-Light-Systems in den Montagetisch fielen zudem einzelne Montageprozess-Schritte wie das Ausmessen von Abständen weg, da diese nun digital unterstützt angezeigt wurden. Mittels verschiedener LED Farb- und Lagekonfigurationen konnten so Länge, Ausrichtung und weitere montagerelevante Informationen intuitiv verständlich und kompatibel zu den erforderlichen Abläufen dargestellt werden (Abb. 4).

Aus dem Zoom-Bereich (rechts unten) der Beispielabbildung wird erkenntlich, dass mit roten Dioden die Art des Querträgers signalisiert wird und mit weißen die Richtung, in die die Öffnung der Träger zeigen soll. Durch weitere Farben oder deren spezifische Anordnung könnten auch zu verwendende Verstärkungen, Befestigungsarten oder einzusetzende Werkzeuge codiert werden.

Technisches Schaubild
LED-basiertes Put-to-Light Assistenzsystem in der LKW-Hilfsrahmenmontage © Universität Greifswald, Institut für Psychologie, Prof. Manfred Bornewasser

Diese beiden Lösungsansätze verdeutlichen, dass unterstützende, auf den Arbeitsbereich spezifisch zugeschnittene Lösungen auch mit relativ einfachen und preiswerten digitalen Mitteln erzeugt werden können. Sie entfalten entlastende Wirkung und erfahren ein hohes Maß an Akzeptanz seitens der Beschäftigten. Ohne eine solche Akzeptanz findet auch das bestgemeinte Assistenzsystem keine dauerhafte Nutzung, sodass sich die erwartete gesteigerte Produktivität in solchen Fällen nicht erzielen lässt.

Vergleichbare negative Effekte zeigen sich, wenn die Pflege der einzubindenden neuen Informationssysteme mit hohem Programmieraufwand verbunden ist. Dies mindert ebenfalls die Akzeptanz von Assistenzsystemen und Vernetzungen. Deshalb wurde ergänzend in einer Fallstudie mit einem Unternehmenspartner eine app- und cloudbasierte Software für ein Tablet-basiertes Assistenzsystem prototypisch mittels einer sogenannten Low-Code-Plattform erfolgreich gestaltet. Diese bietet eine Entwicklungsumgebung, bei der die Programmierung grafische Modellierungsmethoden die klassischen, textbasierten Techniken ersetzt.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt "Montexas4.0" finden Sie hier.

"Montexas4.0" wird im Rahmen des Programms "Zukunft der Arbeit" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Das Programm greift die Herausforderungen auf, die für Unternehmen (insbesondere KMU) und Menschen durch Strukturwandel, Technisierung und zunehmende Globalisierung in der Arbeitswelt entstehen und lädt Unternehmen und Forschungseinrichtungen ein, mit innovativen Forschungsprojekten aktiv die Zukunft unserer Arbeitswelt mitzugestalten. Ziel des Programms ist es, technologische und soziale Innovationen gleichermaßen voranzubringen. Dazu sollen neue Modelle der Qualifizierung, der Gesundheitsprävention, der Arbeitsgestaltung und -organisation in und mit Unternehmen entwickelt und als Pilotprojekte in die betriebliche Praxis überführt werden. Dabei liegt der Fokus besonders auf branchenübergreifenden und interdisziplinären Projekten.

Weiterführende Informationen zum Programm "Zukunft der Arbeit" finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Programmwebsite des BMBF.

Auszug aus dem ESF-Newsletter