Ob Turnbeutel, Babyhose oder Mantel - heute wird immer mehr selbst genäht

Datum
10.02.2020

Nähen wird als Hobby immer beliebter: 5 Millionen Menschen in Deutschland begeistern sich dafür. Dabei ist Nähen kein "Oma-Hobby", sondern leicht mit den neuen Medien kombinierbar. Sollte es nicht eine Möglichkeit geben statt wie bisher Schnittmuster von Zeitschriftenbögen abzupausen oder aus A4-Blättern zusammenzukleben - eine Aufgabe, die 80% der Hobbynäher*innen keinen Spaß macht? Täglich haben wir unser Handy in der Hand, warum nicht auch bei dieser Tätigkeit?

Wie alles anfing.

Das waren die Überlegungen des ESF-geförderten Gründungsteams von "Pattarina": Dr. Nora Baum und Markus Uhlig. Nora Baum ist passionierte Hobbynäherin und kannte die Problematik aus eigener Erfahrung bestens: Seit sie Kinder hat, reichte die Zeit zum Nähen hinten und vorne nicht, besonders die aufwendige Schnittmustervorbereitung hatte sie schon lange gestört. Eines Tages kam sie auf die Idee, die Schnittmuster auf den Stoff zu projizieren. Da Beamer unhandlich und teuer sind, nutze Sie ein digitales Werkzeug, das jeder in der Hosentasche hat - das Smartphone. Dabei war es sicherlich von Vorteil, dass sie lange als Beraterin bei einer internationalen Unternehmensberatung gearbeitet hatte und vorher in Cottbus zur Digitalisierung von Handwerksleistungen promovierte.

Ein Mann und eine Frau
Das Gründungsteam von Pattarina: Markus Uhlig und Dr. Nora Baum © Pattarina GmbH

Markus Uhlig kommt aus der IT-Branche und ist als IT-Architekt und Softwareentwickler verantwortlich für die Infrastruktur und die Entwicklung der "Pattarina-App". Er hatte in Cottbus Informations- und Medientechnik studiert und viele Jahre in der akademischen Forschung in den Bereichen Softwarevisualisierung und Computer Vision gearbeitet.

Im Mai 2018 taten sich die beiden zusammen und entwickeln seitdem gemeinsam mit Hobbynäher*innen und Designer*innen die App "Pattarina".

Was macht die "Pattarina-App" genau?

In der "Pattarina-App" werden die Teile eines Schnittmusters mit Hilfe der Kamera und von Augmented Reality im Handybildschirm angezeigt. Diese lassen sich direkt auf den Stoff übertragen. Mit Blick auf den Bildschirm wird die virtuelle Linie abgezeichnet. Wie das genau funktioniert, zeigt ein Video.

Ein Smartphone
App-Nutzung beim Stoffzuschnitt © Pattarina GmbH

Hobbynäher*innen sparen so viel Zeit, Papier und Nerven bei der Schnittmustervorbereitung. Außerdem müssen sie ihre Schnittmuster nicht mehr mühselig aufräumen und abheften, und es gehen keine Teile mehr verloren - denn alle Schnittmuster befinden sich übersichtlich sortiert in der App. So haben Hobbynäher*innen einfach mehr Zeit zum Nähen.

Die "Pattarina-App" gibt es kostenlos zum Download für iOS und Android. Die App funktioniert ab iOS 9 bzw. ab Android 7 für alle Handys, die augmented-reality-fähig sind (das bedeutet: im Handy muss ein Kompass und ein Gyroskop eingebaut sein). In der "Pattarina-App" sind außerdem einige kostenlose Schnittmuster zum Ausprobieren enthalten.

Was sich so komfortabel und leicht liest, ist in Wirklichkeit komplizierter. Denn die App ist als Cross-Plattform-Lösung entwickelt worden, die neueste Frameworks und Standards verwendet. Technologisch ist neben der Darstellung der Schnittmuster in der Augmented Reality vor allem die Konvertierung und Standardisierung der Schnittmuster interessant. Hierfür entwickelt "Pattarina" spezielle Algorithmen, um die Schnittmuster in ein proprietäres Datenformat zu überführen.

Das hat auch die Jury vom Gründerwettbewerb Digitale Innovationen des Bundeswirtschaftsministeriums überzeugt. "Pattarina" hat im September 2019 einen Hauptpreis gewonnen.

Das ESF-Bundesprogramm "EXIST"

"Pattarina" ist ein typisches Beispiel des ESF-Bundesprogramms "EXIST", das das Gründungsklima an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen verbessern will. Darüber hinaus sollen die Anzahl und der Erfolg technologieorientierter und wissensbasierter Unternehmensgründungen erhöht werden. Das Programm wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert.

"EXIST" umfasst drei Förderprogrammlinien:

  1. Mit "EXIST-Forschungstransfer" werden herausragende forschungsbasierte Gründungsvorhaben, die mit aufwändigen und risikoreichen Entwicklungsarbeiten verbunden sind, gefördert.
  2. Das "EXIST-Gründerstipendium" fördert die Vorbereitung innovativer Existenzgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen, insbesondere die Erstellung eines tragfähigen Businessplans und die Entwicklung marktfähiger Produkte und Dienstleistungen.
  3. "EXIST-Gründungskultur" wird in Form eines Wettbewerbs "Die Gründerhochschule" durchgeführt. Ziel ist es, hochschulweite Gesamtstrategien zu entwickeln und diese umzusetzen, um eine Gründungskultur und mehr Unternehmergeist an Hochschulen zu etablieren. Im November 2018 ist mit der Richtlinie " EXIST-Potentiale " eine neue Wettbewerbsrunde in "EXIST-Gründungskultur" gestartet. "EXIST-Potentiale" wird ausschließlich vom Bund gefördert.

Auszug aus dem ESF-Newsletter