Chancen für Vogtländerinnen - auch und gerade in Zeiten der Pandemie

Datum
29.10.2020

Im ESF-geförderten Projekt "Chancen für Vogtländerinnen - Perspektive Wiedereinstieg" berät ein Team aus Sozialpädagog*innen und Coaches vor allem Frauen - aber auch Männer - zu allen Fragen rund um das Thema Wiedereinstieg ins Berufsleben nach einer Familien- oder Pflegezeit. Neben einem individuellen Coaching werden auch vielfältige Beratungsmöglichkeiten sowie kostenfreie Workshops und Fachvorträge angeboten. In einem Interview schildert die Projektmitarbeiterin Christine Wolfram vom Witt Schulungszentrum GmbH in Auerbach, wie sich die Corona-Pandemie auf die Projektarbeit ausgewirkt hat.

Frau Wolfram, wie haben Sie im Projekt die Krise gemeistert?

Frau Wolfram: Wir haben die Corona-Krise zum Anlass genommen, unsere Coaching-Methoden zu überdenken und umzugestalten. Glücklicherweise hatten wir im Vorfeld bereits durch unser bewährtes Blendend-Learning-System PWE@online Erfahrungen mit Online-Lernplattformen und virtuellen Meetings sammeln können. Darauf konnten wir jetzt aufbauen. Unsere Akquise-Aktivitäten mussten wir während des Lockdowns leider komplett einstellen. Allerdings konnten wir die Zeit gut nutzen, um auf den erhöhten Beratungsbedarf unserer Teilnehmenden einzugehen.

Was haben sie gelernt, verändert, wahrgenommen?

Frau Wolfram: Verändert hat sich zum einen, dass die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter und der Arbeitsagentur nicht mehr so flüssig laufen konnte, wie zu normalen Zeiten. Zum anderen hat sich das Coaching aufgrund des gebotenen Abstands und weiterer einschneidender Änderungen bei den Rahmenbedingungen gewandelt. So spielten die fehlende Kinderbetreuung und die damit verbundene Doppelbelastung (Betreuung der Kinder, Homeschooling bei gleichzeitiger finanzieller Absicherung) in den Coachings plötzlich eine große Rolle, sodass teilweise wenig Zeit für das eigene Vorhaben "beruflicher Wiedereinstieg" übrigblieb. Darüber hinaus gestaltete sich die Arbeitsplatzvermittlung schwierig, da viele Branchen derzeit von Kurzarbeit betroffen sind.
Wahrgenommen haben wir, dass die Vertrauensbasis und das gegenseitige Verständnis zwischen Coachee und Coach in der Krise immer wichtiger wurden. In unseren Beratungen stellten wir die Arbeit an den persönlichen Eigenschaften/Kompetenzen sowie die Auseinandersetzung mit möglichen beruflichen Alternativen in den Mittelpunkt. Außerdem boten wir Hilfestellung bei persönlichen Fragen und Problemen.
An dieser Stelle möchte ich unsere Sozialpädagogin Kristin Liebert zitieren: "Wie wertvoll die kleinen Dinge des Lebens sind, wird einem erst durch eine solche Krise wieder in Erinnerung gerufen. Mit dem richtigen Familienzusammenhalt lässt sich alles meistern, auch wenn es teilweise ziemlich kräftezehrend ist und von allen Beteiligten ein hohes Maß an gegenseitigem Verständnis und Rücksichtnahme fordert."

Zwei Frauen
Sozialpädagoginnen im Projekt: Kristin Liebert & Linda Böhm © Witt Schulungszentrum GmbH

Welche Wege der Kommunikation und Begleitung haben Sie mit Ihren Teilnehmenden gefunden?

Frau Wolfram: Wir haben mit unseren Teilnehmenden via Telefon, WhatsApp, E-Mail, Online-Seminaren und per Post kommuniziert. Außerdem haben wir unsere Lernplattform ILIAS sowie BigBlueButton (Open-Source-Webkonferenzsystem) genutzt. Die Kommunikation über Onlineseminare und -coachings stellte allerdings für viele der Teilnehmenden eine Herausforderung dar, weil es teilweise an technischer Ausstattung und dem notwendigen Internetzugang mangelte, manchmal aber auch die entsprechenden Kompetenzen fehlten.

Auf welcher Ebene haben Sie vorwiegend Unterstützungsarbeit geleistet?

Frau Wolfram: Folgende Themen standen im Vordergrund:

  • Motivationsarbeit,
  • Hilfe im Umgang mit familiären Problemen,
  • Hilfe im Umgang mit Existenzängsten.

Haben Sie weiterhin Kontakt zu Arbeitgebern halten können und mit welchen Ergebnissen?

Frau Wolfram: Der Kontakt zu Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern der Region war für uns telefonisch oder per E-Mail gut möglich. Jedoch berichteten viele Unternehmen von Kurzarbeit und den damit verbundenen negativen Konsequenzen, z. B. für ein mögliches Probearbeiten oder die Einstellung von Teilnehmenden. Die Unsicherheit war deshalb auf beiden Seiten spürbar. Nichts war planbar, viele Entscheidungen konnten nur spontan getroffen und perspektivische Aussagen zumeist gar nicht gegeben werden.

Was nehmen Sie aus dieser Zeit für die Zukunft mit?

Frau Wolfram: Wir nehmen mit, dass es immer Mittel und Wege gibt, sich gegenseitig zu unterstützen! Teilnehmende sollten in Hinblick auf digitale Technologien offener werden, insbesondere für alternative Coaching-Methoden in Form von Online-Seminaren und Video-Meetings. Des Weiteren nehmen wir mit, dass wir gemeinsam daran arbeiten müssen, vorhandene Ängste und Hemmschwellen diesbezüglich abzubauen. Aber auch, dass ein persönlicher Kontakt zwar sehr wichtig ist, jedoch für eine gewisse Zeit durch Alternativen ergänzt bzw. ersetzt werden kann.
Wir konnten auch ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die neuen digitalen Möglichkeiten besonders interessant für Teilnehmende sind, die sonst einen längeren Weg zum Coach auf sich nehmen müssten. Ein wichtiges Argument vor allem im ländlichen Raum. Zudem finden wir es gut, dass mit diesen Alternativangeboten auch Mütter bzw. Väter erreicht werden können, deren Kinder noch in keiner Kindertageseinrichtung sind. Ein direkter Übergang in Arbeit bzw. Qualifizierung nach der Elternzeit könnte so besser gelingen.
Unabdingbar für die Akquise ist für uns die Teilnahme an Infoveranstaltungen, Familientagen, Messen etc. Das machte sich bei der Gewinnung von Teilnehmenden im Frühjahr bis zum Sommer deutlich bemerkbar. Glücklicherweise finden solche Termine inzwischen vereinzelt wieder statt. Aber auch hier sind künftig neue Wege, z.B. über soziale Medien, verstärkt gefragt.

Das Projekt "Chancen für Vogtländerinnen - Perspektive Wiedereinstieg"

Das ESF-geförderte Projekt ist seit 2015 in das Angebot des Witt Schulungszentrum in Auerbach aufgenommen worden. Es werden alle bewährten Instrumente wie Coaching, Qualifizierungen und die Nutzung der langjährigen Kontakte zu Unternehmen in der Region zur nachhaltigen Eröffnung von Arbeitsmarktperspektiven und Sicherung des regionalen Fachkräftebedarfs aufgegriffen. Frauen und Männer aus dem Vogtland werden individuell gefördert und unterstützt.
Als Bildungsträger im Vogtland mit den Hauptstandorten Auerbach und Plauen zählt die Witt Schulungszentrum GmbH zu den etablierten mittelständischen Bildungsunternehmen in Sachsen. Die Schwerpunkte sind Weiterbildungen und Umschulungen für Arbeitsuchende und Rehabilitanden in den Bereichen IT, Medien, Dienstleistung und Gewerbe, Wirtschaft, Metall und Elektro, Business-Sprachen, Deutsch-Sprachkurse und Zahntechnik. Ausbildungen im Bereich Pflege und Soziales werden über das gemeinnützige Schulungszentrum für Sozialwesen angeboten.

Das ESF-Bundesprogramm "Perspektive Wiedereinstieg - Potenziale erschließen" (PWE)

Das Programm "Perspektive Wiedereinstieg - Potenziale erschließen" wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und den Europäischen Sozialfonds gefördert. Das Programm unterstützt bis zum Jahr 2021 Träger- und Trägerverbünde dabei, Frauen und Männern nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung mit Aktivierungs-, Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen die Rückkehr in das Berufsleben zu erleichtern. Bislang konnten fast 8.000 Teilnehmerinnen gefördert werden.

Weitere Informationen zum Programm finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Website des Programms.

Auszug aus dem ESF-Newsletter