Haus der Selbständigen Leipzig: Neue Ansätze zur Konfliktlösung zwischen Solo-Selbständigen und ihren Auftraggeber*innen

Datum
17.02.2022

Bei dem ESF-geförderten "Haus der Selbstständigen" in Leipzig soll eine Konfliktanlauf- bzw. Ombudsstelle entstehen. Solo-Selbstständige und Auftraggeber*innen werden dort im Falle von Konflikten, die im professionellen Miteinander entstehen können, unterstützt.

Der berufliche Alltag ist leider nicht immer frei von Konflikten und Streitigkeiten: Honorar- und Preisverhandlungen gestalten sich zuweilen schwierig, es gibt Diskussionen um Nutzungsrechte (Buy-outs), nicht eindeutig vereinbarte Nacharbeiten werden gefordert, es gibt Reklamationen und Beschwerden, schwierige Kund*innenwünsche und lange Entscheidungsprozesse - und am Ende nicht selten Ärger aufgrund von Zahlungsverzögerungen. Solche und weitere Situationen kennen die meisten Solo-Selbstständigen. Leicht werden Streitigkeiten selten beigelegt - und wenn Konflikte nicht zur Zufriedenheit beider Seiten gelöst werden können, endet die Geschäftsbeziehung zwischen Auftraggeber*in und Auftragnehmer*in den meisten Fällen.

Das "Haus der Selbstständigen (HDS)", das die Interessenvertretung von Solo-Selbstständigen in den ostdeutschen Bundesländern stärken will, setzt genau hier an: Im letzten Herbst wurde eine Kurzumfrage unter haupt- und nebenberuflich tätigen Solo-Selbstständigen und ihren Auftraggeber*innen zum Thema "Konflikte und Konfliktbearbeitung" gestartet. Darin wurde gefragt, wo genau es zu Konflikten und Streitigkeiten kommt, wie sie gelöst oder warum sie oftmals auch nicht gelöst werden. Über 100 Menschen beteiligten sich an der Umfrage - nun liegen die ersten Ergebnisse vor. In vielen Antworten kam zutage, dass es sowohl für Solo-Selbstständige als auch ihre Auftraggeber*innen nicht leicht ist, den Schritt der außergerichtlichen Konfliktlösung zu gehen. Wie also kann man diesen Schritt aufeinander zu erleichtern?

Konflikte entstehen dort, wo unvereinbar erscheinende Wahrnehmungen, Perspektiven, Werte, Positionen oder Interessen aufeinandertreffen. Soweit die Theorie - in der Praxis, vor allem im Arbeits- und Wirtschaftsleben von Solo-Selbstständigen, können sich Streitigkeiten in vielfältigen Situationen ergeben. Dazu wollte das "HDS"-Team mehr erfahren: Während es in der Umfrage vor allem darum ging zu erfahren, worum sich die Konflikte zwischen Solo-Selbstständigen und Auftraggeber*innen drehen und wie bislang damit umgegangen wurde, sollte es in einem zweiten Schritt konkreter werden.

Perspektivisch soll am "HDS" eine Stelle entstehen, an die sich Solo-Selbstständige im Konfliktfall wenden können. In der Umfrage war dieser Wunsch einige Male als Vorschlag eingebracht worden. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in seinem Auftrag an das "HDS" die Einrichtung einer Schlichtungsstelle vorgesehen, die Konflikte außerhalb von staatlichen Gerichten zu lösen versucht. Dazu gibt es verschiedene alternative Verfahren der Streitbeilegung wie u.a. die Mediation oder die Schlichtung. Darin geht es nicht um das Recht oder Unrecht der einen oder anderen Position im Licht der geltenden Gesetze, sondern vielmehr darum, die Interessen der Beteiligten in den Mittelpunkt zu stellen und eine interessengerechte Lösung zu finden. Im Idealfall gibt es hier also nur Gewinner*innen. Das klingt großartig und das ist es auch - wenn es funktioniert.

Was erwarten Solo-Selbstständige von einer solchen Institution, die ihnen bei der Lösung ihrer Konflikte hilft? Welche Angebote, Formate oder Materialien sollte es geben? Was brauchen Solo-Selbstständige und welche Hindernisse sehen sie? Diese und weitere Fragen wurden in einem Workshop am 20. Januar bearbeitet, zu dem Solo-Selbstständige aus verschiedensten Berufen und Erfahrungshintergründen eingeladen waren. Der Verlauf der Diskussion und die Ergebnisse des Workshops werden in die weitere Vorbereitung der Schlichtungsstelle einfließen.

Im Bereich Netzwerklotse auf der "HDS"-Webseite sind bereits außergerichtliche Konfliktlösungsstellen aufgeführt; in einem BLOG-Beitrag des "HDS" wird das Thema ebenfalls aufgegriffen.

Das Projekt "Haus der Selbständigen (HDS)"

Das Projekt "Haus der Selbstständigen" der INPUT Consulting gGmbH wird gemeinsam von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für Soziologie) und der Universität Kassel (Fachgebiet Wirtschaftsinformatik und Systementwicklung) realisiert. Das "HDS" hat die Förderung der Interessenvertretung von Solo-Selbstständigen zum Ziel. Seit September 2020 verfügt es über eine Begegnungsstätte in Leipzig zur gezielten Unterstützung von Initiativen und Verbänden in den ostdeutschen Bundesländern. Neben der Vernetzung, Beratung von und dem Austausch zwischen Solo-Selbstständigen und ihren Initiativen liegt der Fokus darauf, den Bedarf an Interessenvertretung und an Wissen über Formen kollektiver Interessenvertretung zu erfassen. Das schließt den Aufbau eines Wissenspools in dem Format einer frei zugänglichen virtuellen Plattform und die Entwicklung innovativer digitaler Lehr-/Lernangebote mit ein.

Das ESF-Programm "Zukunftszentren - Unterstützung von KMU, Beschäftigten und Selbständigen bei der Entwicklung und Umsetzung innovativer Gestaltungsansätze zur Bewältigung der digitalen Transformation" (kurz: "Zukunftszentren")

Das "Haus der Selbständigen (HDS)"wird im Rahmen des Programms "Zukunftszentren" durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert.

Die rapide voranschreitende Digitalisierung und der zunehmend spürbare demografische Wandel verändern unsere Arbeitswelt gravierend. Dies bietet gerade für kleine und mittlere Unternehmen neue Chancen und Wachstumsaussichten. Gleichzeitig besteht ein enormer Anpassungsdruck. In besonderem Maße und schon deutlich früher sind die ostdeutschen Bundesländer mit den Herausforderungen des demografischen und digitalen Wandels konfrontiert. Hier stellt sich die Frage: Wie können Unternehmen und Beschäftigte sowie Selbstständige dabei unterstützt werden, diese Wandlungsprozesse zu meistern? Genau an dieser Stelle kommen die "Zukunftszentren" ins Spiel.

Die "Zukunftszentren" verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz: sie richten sich sowohl an Unternehmen und ihre Beschäftigten als auch an Selbstständige, insbesondere Solo-Selbstständige. In jedem ostdeutschen Bundesland ist ein "Regionales Zukunftszentrum " entstanden, um die unterschiedlichen Bedarfe der Regionen und Branchen differenziert in den Blick zu nehmen. Das übergeordnete "Zentrum digitale Arbeit", das federführend von Arbeit und Leben Sachsen e.V. betrieben wird, bündelt das Wissen und sorgt für einen bundesweiten Austausch. Mit dem "Haus der Selbstständigen" werden Informationen zur Gründung von Interessenvertretungen und zu selbstregulierenden Verfahren für Solo-Selbstständige und Plattformbeschäftigte bereitgestellt.

Qualifizierung im Betrieb neu denken und erproben

Mit dem Programm "Zukunftszentren" unterstützt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die ostdeutschen Bundesländer gezielt dabei, die großen Veränderungsprozesse, die sich beispielsweise aus der Entwicklung Künstlicher Intelligenz ergeben, zu bewältigen und vor allem sozial zu gestalten. Qualifizierung im Betrieb soll neu gedacht und erprobt werden - immer mit dem Ziel, die Selbstlern- und Gestaltungskompetenz zu fördern. Mit innovativen Konzepten zur Weiterbildung im Betrieb sollen beispielsweise digitale Kompetenzen in Unternehmen gefördert werden. Denn Digitalisierung verändert die Tätigkeiten und Anforderungen in allen Berufen.

Weitere Informationen zum Programm finden Sie hier.

Auszug aus dem ESF-Newsletter