"Eine Woche für die Ewigkeit"

Datum
04.08.2022

In der März-Ausgabe des ESF-Newsletters haben wir für das Jahr 2022 in unserer Rubrik "Terminhinweise" die neuen "BerufsKlima-Workcamps" der KlimaStiftung für Interessierte zwischen 16 und 25 Jahren angekündigt. In der vorliegenden Ausgabe berichtet eine der Teilnehmer*innen von dem Workcamp im April. Franka Janssen beschreibt in einem ausführlichen Erlebnisbericht eindrucksvoll ihre Erfahrungen. Insbesondere der sich an das Workcamp anschließende KlimaTörn auf dem Traditionssegler ALEXANDER VON HUMBOLDT II hat dazu beigetragen, dass diese Zeit für sie zu einer "Woche für die Ewigkeit" wurde.

Erlebnis-Bericht von Franka Janssen - Teilnehmerin des "BerufsKlima-Workcamps" der Deutschen KlimaStiftung mit KlimaTörn vom 15.-20. April 2022

Durch einen Zufall bin ich vor einigen Monaten beim Besuch des Klimahauses über den Flyer vom "BerufsKlima-Workcamp" der Deutschen KlimaStiftung gestolpert und wusste noch in dieser Minute, dass ich da mitmachen musste.

Schon der erste Moment des Workcamps war überwältigend: Seit zwei Jahren endlich wieder in einen Raum voller junger Menschen zu kommen und in rund 50 erwartungsvolle Gesichter zu sehen, war nach einer so langen Zeit ein tolles Gefühl. Junge Menschen, die alle für dasselbe große und wichtige Thema brennen: Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Deswegen sind sie an diesem Tag im April alle ins Klimahaus nach Bremerhaven gekommen: Um sich auszutauschen, Inspirationen zu sammeln und eine schöne und prägende Zeit zu haben.

Gestartet wurde mit einer Vorstellungsrunde und einigen Präsentationen. Die Gruppe setzte sich aus einer vielfältigen Mischung aus dem ganzen Land und sogar einer Austauschstudentin aus Costa Rica zusammen. Diese bunte Zusammensetzung habe ich besonders zu schätzen gelernt.

Der zweite Tag begann mit einer Aktivierungsrunde und spätestens dann waren alle wach. Im ersten Programmpunkt ging es um Stellensuche in "Grünen Arbeitsbereichen", ein Feld, das viel breiter ist, als viele denken! Das Team vom "BerufsKlima-Workcamp" hatte für jeden Bereich mehrere passende Stellenanzeigen rausgesucht und wir durften uns dann eine auswählen, um in Stichpunkten ein Bewerbungsanschreiben zu formulieren. Es war sehr schwer, sich festzulegen, denn viele Stellen und Bereiche waren sehr interessant. Gerade weil viele vorher nicht darüber nachgedacht hatten, was alles unter "Grüne Arbeit" fällt.

Durch diese Inspirationen wurde meine Liste mit den Dingen wieder länger, die ich später in Ruhe zu Hause noch einmal dringend genauer im Internet nachschauen musste.

Personengruppe in einem Saal
Ideensammlung: Wie kann nachhaltiges Bauen und Wohnen in der Zukunft aussehen? © Trischa Lotte Hefter/KlimaStiftung

Weiter ging es an dem Tag mit einem Input und Diskussionen darüber, was das Klima mit der Psyche macht, einem Lebenslauf-Check und einem Workshop zu nachhaltigem Bauen. Letzteres hat mich aus einem Grund besonders fasziniert: Der Referierende hat mit so einer Begeisterung und Leidenschaft über sein Thema gesprochen, dass richtig deutlich wurde, dass es sein Herzensthema ist und er daran glaubt, dass dies sein Weg ist, die Welt ein kleines Stück besser zu machen. Da habe ich für mich ganz persönlich festgestellt: Das sollte das Ziel des Arbeitslebens sein. Einen Beruf finden, der so viel Spaß macht, dass alle um mich herum merken, dass er mich so erfüllt. Aber auch die Diskussion zu Klima und Psyche war sehr bewegend. Denn das Thema Klimawandel ist zwar fast in aller Munde, aber dass es gerade auch die jungen Menschen oft unter großen Druck setzt und stresst, wird dabei leider viel zu selten beachtet. Wir haben darüber gesprochen, dass es wichtig ist, auch an sich zu denken. Nicht alles, was wir tun, kann perfekt sein und wir sollten uns nicht mehr dafür rechtfertigen müssen, wenn wir mal etwas tun, was nicht besonders ökologisch ist, wie in den Urlaub fliegen oder Fleisch zu essen.

Die Vorfreude auf das Schiff und den KlimaTörn hing schon das ganze Workcamp über in der Luft. Fast alle waren noch nie segeln gewesen, zumindest nicht mit so einem großen Schiff wie der ALEXANDER VON HUMBOLDT II. Besonders über die Wachzeiten wurde im Vorhinein sehr viel spekuliert. Die gesamte Besatzung der ALEX II wird für jeden Törn in drei Wachen eingeteilt, die jeweils vier Stunden, von 0-4, 4-8 und 8-12 Uhr, morgens sowie nachmittags auf Deck alles erledigen, was anfällt. Die erste Wache war dabei die am meisten gefürchtete, würde sie schließlich bedeuten, dass wir mitten in der Nacht und in Kälte draußen sein müssten, anstatt wie im normalen Tages- und Nachtrhythmus zu schlafen. Auch ich persönlich hatte wirklich große Sorgen, ausgerechnet in diese Wache eingeteilt zu werden, denn Einfluss hat man darauf nicht.

Tatsächlich bin ich in der 0-4-Wache gelandet und obwohl ich mir vorher so große Sorgen gemacht hatte, war ich mir, als ich es dann wusste, sicher, das irgendwie zu schaffen. Schließlich war ich nicht alleine: Als andere meiner Wache, die zuvor meine Sorgen darüber geteilt hatten, davon erfuhren, dass ich ebenfalls in der 0-4-Wache war, sprachen sie mir gleich Mut zu. Der Satz "Wir schaffen das gemeinsam!", dazu eine Umarmung und die Tatsache, dass diese Wache ein persönlicher Grenzgang sein und mir ganz viele neue Erfahrungen und Selbstvertrauen geben würde, überzeugten mich schließlich, die Zweifel sprichwörtlich über Bord zu werfen.

Der nächste Tag begann zwar früh, aber es erwartete uns Trainees gleich das erste Highlight an Bord: Noch vor dem Auslaufen wurden wir in das Rigg eingewiesen, also die Masten, auch Topp genannt, und das Tauwerk. Anschließend ging es für die meisten hoch auf den Mast bis zum Fock- bzw. dem Großsegel. Schon von unten sind beide Topps, mit einer jeweiligen Höhe von insgesamt knapp 30 und 32 Metern, sehr imposant und es brauchte viel Überwindung, sich dort hoch zu trauen. Aber am Ende hat nicht nur die fantastische Aussicht über den Hafen die Aufregung wettgemacht, auch allein dieses erfüllende Gefühl von Stolz war den Aufstieg wert. Das Herz klopfte ziemlich schnell, als wir auch noch auf die Rah des Fock- bzw. Großsegels durften. So werden die Querstangen des Mastes genannt, an denen die Segel festgemacht sind. Diesen Moment werde ich nie vergessen.

Der Fokus dieser Reise lag, wie immer beim Segeln, auf dem Team und dem Miteinander. Da spielen Uhrzeit und Smartphone keine Rolle und werden ohnehin nicht gebraucht. Das Gruppengefühl auf der ganzen Reise war enorm stark. Selten habe ich bei solchen Reisen so eine wundervolle Dynamik erlebt und das bei Menschen, die sich vor vier Tagen nur neugierig gemustert hatten und nichts voneinander wussten. Alle waren super offen, tolerant und freundlich. Niemand wurde ausgeschlossen und jede*r wurde so aufgenommen, wie er*sie war. So hatten wir auch eine spannende Diversität, in der ich mich persönlich sehr wohl gefühlt habe.

Segelmast
Beim Brassen der Segel (Ändern der Segelstellung) ist Teamwork gefragt. Alle Teilnehmenden packen mit an. © Trischa Lotte Hefter/KlimaStiftung

In der ganzen Zeit an Bord haben wir eine Menge gelernt. Nicht nur über das Segelhandwerk, über das Schiff und alles, was dazu gehört, über Grüne Berufe und den Klimawandel. Auch über das an Bord angebotene Berufscoaching konnten wir viel mitnehmen. In Kleingruppen bekamen wir die Möglichkeit, weitere Tipps für die Gestaltung einer Bewerbung zu bekommen und über unsere Stärken, Schwächen und bisherigen Berufsperspektiven und -wünsche zu sprechen. Dieser geschützte Raum und die kompetente Beratung haben mir persönlich sehr weitergeholfen. Denn dort habe ich gelernt, dass es nicht nur eine Perspektive, einen Berufsweg gibt, sondern sich meine Interessen und Fähigkeiten für mehrere, ganz unterschiedliche Arbeitsfelder kombinieren lassen. Selten ergibt sich die Chance, solche ernsthaften Berufsberatungen in einem so lockeren und wertschätzenden Umfeld zu erhalten, weswegen ich dieses Angebot an Bord als sehr wertvoll einschätze.

Besonders viel haben wir in diesen wenigen Tagen auch über uns selbst erfahren. Wozu wir fähig sind, was wir in Ausnahmesituation alles schaffen können, worüber wir uns vorher zu viele Sorgen gemacht haben. Wir haben gelernt, mehr Selbstvertrauen zu haben und an uns selbst zu glauben. Wir alle sind in ganz individueller Weise an uns gewachsen und gehen definitiv als andere Menschen von Bord. Ich persönlich habe über die ganze Zeit auf dem Schiff gespürt, wie gut mir diese Reise für mich selbst getan hat und wie dankbar ich dafür bin.

Generell ist dieses Dankbarkeitsgefühl etwas, das über den ganzen Törn und die Zeit im Klimahaus hinweg angehalten hat. Es ist für uns alle einfach kaum vorstellbar gewesen, was für ein riesiges Privileg es ist, dieses Erlebnis haben zu dürfen, an einem "BerufsKlima-Workcamp" und dem KlimaTörn teilnehmen zu können. Das sind Momente und Erinnerungen für die Ewigkeit. Gefördert durch das "BBNE"-Programm des Europäischen Sozialfonds und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) bekamen wir komplett kostenlos diese Chance, die nur ganz wenige Menschen auf dieser Welt bekommen. Ich spüre diese überwältigende Dankbarkeit noch heute jeden Tag, wenn ich mit einem großen Lächeln und Stolz Leuten von dieser Reise und den ganzen Erfahrungen berichten darf. Ich hoffe, dieses Programm existiert noch einige Jahre weiter und gibt noch ganz vielen jungen Menschen diese einmalige Chance, Gleichgesinnte zu treffen, sich mit aktiven, begeisterten und offenen Leuten auszutauschen, wichtige und überwältigende Erfahrungen zu sammeln und über sich selbst hinauszuwachsen.

Diese Zeit, war sie auch noch so kurz, hat mich persönlich enorm geprägt. Es war eine Reise zu sich selbst, zu neuen Möglichkeiten, neuen Menschen und Freunden, die nun im ganzen Land verstreut sind. Eine Reise zu Inspiration und zum Mut, mehr an sich zu glauben. Ich habe auf der Reise gelernt, dass es nicht falsch ist, seine Stärken zu kennen und diese auszusprechen. Nicht nur im Berufsleben ist das nämlich sehr wichtig, auch in einem Team und in einer Gemeinschaft, wie wir sie auf der ALEX II hatten, ist das ein ganz großer Punkt. Jeder hat seine Stärken und nur zusammen sind wir zu unserem tollen Team geworden.

Danke für diese Reise."

Das Programm "Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung befördern. Über grüne Schlüsselkompetenzen zu klima- und ressourcenschonendem Handeln im Beruf - BBNE"

Die "BerufsKlima-Workcamps" der Deutschen KlimaStiftung werden im Rahmen des ESF-Programms "Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung befördern. Über grüne Schlüsselkompetenzen zu klima- und ressourcenschonendem Handeln im Beruf - BBNE" durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und den Europäischen Sozialfonds gefördert.

Wer im beruflichen Alltag im Sinne nachhaltiger Entwicklung handeln möchte, braucht entsprechende Kompetenzen, Fertigkeiten und Wissen. Für dieses "Greening" der Berufe beziehungsweise der Arbeitswelt sensibilisiert das Programm "BBNE". Fördergelder werden für Projekte bereitgestellt, die über die beiden Formate Workcamps oder Schulungsmodule ermöglichen, in verschiedene Berufe hinein zu schnuppern und zeigen, wie nachhaltiges Handeln im beruflichen Alltag möglich ist.

Weitere Informationen zum Förderprogramm "BBNE" finden Sie auf dem ESF-Webportal.

Auszug aus dem ESF-Newsletter