Das Projekt "IoT-OM": Mitarbeitende im Mittelpunkt der Technologie
- Datum
- 30.03.2023
Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt "Internet der Dinge und integratives Organisationsdesign: Auswirkung auf Organisation und Mitarbeiter" ("IoT-OM") begleitet kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bei der Einführung und Nutzung von IoT-Lösungen (IoT= Internet of Things) und nutzt die dabei gewonnenen generalisierbaren Erkenntnisse für die Entwicklung einer Unternehmenssoftware. Diese soll KMU bei der Einführung von IoT-Anwendungen in Bezug auf organisationale und mitarbeiterbezogene Aspekte unterstützen.
Das Internet der Dinge (engl.: Internet of Things, IoT) ermöglicht die globale Vernetzung von sogenannten intelligenten Objekten, die über das Internet miteinander interagieren. Unter diesen intelligenten Objekten versteht man kleine eigenständige Sensoren oder komplexe Geräte, die an das Internet angeschlossen sind. Über die Verknüpfung mit dem Internet können eine Vielzahl an Daten generiert und durch Mitarbeiter*innen ausgewertet werden. IoT-Lösungen werden zunehmend in Unternehmen eingesetzt und verändern insbesondere die Ablauforganisation sowie die bestehenden Arbeitsroutinen der Belegschaft. Aufgrund begrenzter personeller, zeitlicher und finanzieller Ressourcen stehen KMU vor verschiedenen Herausforderungen, IoT-Anwendungen in bestehende Unternehmensstrukturen und -abläufe zu integrieren, z.B. unzureichende technologische Kompetenzen. Bislang existiert kein systematischer Ansatz, der KMU bei der adäquaten Anpassung von Organissationstrukturen und Arbeitsabläufen sowie beim Ergreifen entsprechender Kompetenzentwicklungsmaßnahmen für Mitarbeitende hilft.
Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt greift die IoT-bezogenen Herausforderungen, die mit der Veränderung der internen oder externen Ausrichtung eines Unternehmens einhergehen, mit der Entwicklung einer Unternehmenssoftware auf. Diese schlägt auf der Grundlage von unternehmensspezifischen Parametern Anpassungen von Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufen vor. Zudem zeigt sie konkrete Kompetenzentwicklungsmaßnahmen für Mitarbeitende auf, um ihre Arbeit zu optimieren. In drei Praxisunternehmen wurden IoT-Lösungen in wissenschaftlicher Begleitung eingeführt: Zunächst erfolgten Befragungen und fallspezifische Analysen, um die erwarteten Veränderungen durch die Einführung des IoT auf organisationaler und individueller Ebene zu untersuchen. In mehreren Workshops entwickelte das Projekt gemeinsam mit den Partnerunternehmen sogenannte Personas (d.h. fiktive Nutzer eines exemplarischen IoT-Systems mit entsprechenden Bedürfnissen und Kompetenzen) und Problemszenarien. Diese lieferten fundierte Hinweise über mögliche Veränderungen der Arbeitsroutinen von Mitarbeitenden. Die Erkenntnisse aus den Analysen nutzte das Projekt für die weitere Entwicklung der Unternehmenssoftware und eine prozessbegleitende Evaluation.
Eine innovative IoT-Lösung für die pironex GmbH
Das Anwendungsunternehmen pironex GmbH bietet eine breite Angebotspalette von Elektronik- und Steuerungssoftware für IoT-Systeme im Bereich "Business-to-Business"1 . Zu Beginn des Projektes wurde für die Herstellung der individuellen Produkte eine aufwändige, manuelle Dokumentation benötigt. Zwischen den Abteilungen herrschte dementsprechend ein hoher Abstimmungsbedarf. Zugleich gab es keine Informationen über die Dauer der einzelnen Arbeitsschritte, und die Belegschaft benötigte viel Zeit, um an Materialien, Referenzobjekte oder (Produkt-, Bestell- oder Status-) Informationen zu gelangen. Dementsprechend nahm das Produktionsverfahren zusätzliche zeitliche und personelle Ressourcen in Anspruch.
Aus den fallspezifischen Analysen und Interviews mit der Belegschaft der pironex GmbH leitete das Projekt folgende Ziele ab: (1) Überblick und Kontrolle des Materialbestands, (2) Überblick zu Ablageorten, (3) Vereinfachtes Führen von Bestandslisten, (4) Einheitliche Dokumentation und Visualisierung von Prozessschritten und (5) Vernetzung von Informationen zwischen den Abteilungen. Hierzu wurde ein modernes Asset-Tracking-System2 entwickelt, welches eine erhöhte Transparenz und Visualisierung der Produktions- und Lieferkette ermöglicht. Dabei wird der Warenstrom effizient geplant und die Produktionsprozesse werden dementsprechend angepasst.
Die Asset-Tracking-Terminals sind kompakte Gateways3 mit externer oder integrierter Antenne4. Als Marker für das Ortungssystem dienen aktive BLE-Beacons5, passive RFID-Labels6 sowie QR-Codes. Parallel dazu fungiert eine IoT-Tracking-Plattform als Steuerungszentrale in Echtzeit. Auf der Benutzeroberfläche werden alle eingebundenen Geräte angezeigt sowie die jeweiligen Standorte und der Status visualisiert.
Durch die Funktion "Asset Anchor" kann der Nutzer mittels der Angabe von GPS-Koordinaten oder einer Adresse Standorte bzw. Abteilungen definieren und diese mit den IoT-Geräten verbinden. Dadurch kann der gesamte Prozessablauf dargestellt und durch den oder die Nutzer analysiert werden. Durch optionale Softwaremodule (z.B. Asset Tracking, Condition Monitoring) erfolgt die Anpassung an unternehmensindividuelle Anforderungen. Die Verwaltung von Nutzern und Administratoren erfolgt in dem Bereich "Asset User". Hier werden die Namen der Personen in die Anwendung eingepflegt, die das Asset Tracking verwenden. Die Asset-Tracking-Terminals sind so platziert, dass die Mitarbeiter*innen möglichst kurze Wege haben. Dadurch sollen die Akzeptanz gegenüber der IoT-Lösung gesteigert und neue Prozesse möglichst reibungslos in die Arbeitsroutine der Mitarbeiter*innen integriert werden.
Die Evaluation der Auswirkungen auf Organisation und Mitarbeitende ergab, dass Transparenz und Nachvollziehbarkeit einzelner Prozessschritte stiegen. Für Mitarbeitende ergab sich beispielsweise eine enorme Zeitersparnis, weil sie automatisiert abrufen können, zu welchem Zeitpunkt das Produkt in einer bestimmten Abteilung zur Bearbeitung war und wie viel Zeit dieser Vorgang in Anspruch genommen hat. Führungskräften steht eine Vielzahl an Informationen über Prozesse zur Verfügung, die sie nutzen können, um Leerlaufzeiten zu minimieren und schneller auf Kundenanfragen zu reagieren. "Ich laufe nicht mehr kopflos, weil ich weiß jetzt, wo ich hin will. Und der Kollege, der es dann bearbeitet […], weiß, er muss es zu mir zurückbringen […]. Das ist schon klarer, weil sonst muss man noch zusätzlich ihm was sagen oder noch was hinlegen. Das ist da schon leichter, doch, ja. Die Wege sind kürzer geworden", so ein Mitarbeiter der pironex GmbH.
Was andere KMU vom Projekt lernen können
Aus den gewonnenen Erkenntnissen im Projekt "IoT-OM" lassen sich folgende Handlungsempfehlungen für KMU, die IoT-Lösungen einführen wollen, ableiten:
- IoT-Systeme verändern bestehende Aufgabenstrukturen und -routinen, insbesondere den Zugang zu Informationen, Ressourcen sowie Unterstützungs- und Handlungsmöglichkeiten. Beeinflusst werden Arbeitsaufgabeninhalte, räumliche und zeitliche Arbeitsabläufe, der Zugang zu abteilungsübergreifendem Wissen sowie die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden.
- In ausführenden Arbeitsumgebungen mit manuellen Aufgabenstrukturen umfassen die neuen Aufgaben die Bedienung neuer Geräte (z.B. Smart Objects) und die Durchführung von zusätzlichen Prozessschritten. In administrativen Arbeitsumgebungen mit kognitiven Aufgabenstrukturen gehören der Umgang mit größeren Datenmengen sowie die Handhabung neuer Schnittstellen und Oberflächen zu den neuen Aufgaben.
- Unternehmen sollten frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um IoT-Systeme mit hoher Mitarbeiterakzeptanz einzuführen. Mögliche Maßnahmen umfassen (1) die strategische Planung von IoT-Einsatzorten, um kurze Wege zu ermöglichen und zusätzliche Prozessschritte zu vermeiden, (2) eine angemessene Test- und Einführungsphase mit schrittweiser Adaption sowie (3) Schulungen für den Umgang mit großen Datenmengen, insbesondere für Führungskräfte.
- Aufgrund der Bandbreite an Anwendungsmöglichkeiten können IoT-Lösungen grundsätzlich branchenunabhängig eingesetzt werden. Wichtig ist, vorab die strategische Ausrichtung (d.h. intern zur Verbesserung von Prozessen, extern zur Erweiterung oder Neuausrichtung des Produktportfolios bzw. Serviceangebots) und die entsprechende Funktionsart zu berücksichtigen.
Tiefergehende Informationen zu den Ergebnissen und Publikationen des Projekts können auf der Projektwebsite von "IoT-OM" abgerufen werden. Nähere Informationen zu der IoT-Lösung der pironex GmbH sind dem Quick Guide Asset Tracking zu entnehmen, der hier abrufbar ist.
Das Programm "Zukunft der Arbeit"
Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt "IoT-OM" wird im Rahmen des Programms "Zukunft der Arbeit" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der EU über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert. Das Programm greift die Herausforderungen auf, die für Unternehmen (insbesondere KMU) und Menschen durch Strukturwandel, Technisierung und zunehmende Globalisierung in der Arbeitswelt entstehen, und lädt Unternehmen und Forschungseinrichtungen ein, mit innovativen Forschungsprojekten aktiv die Zukunft unserer Arbeitswelt mitzugestalten. Ziel des Programms ist es, technologische und soziale Innovationen gleichermaßen voranzubringen. Dazu sollen neue Modelle der Qualifizierung, der Gesundheitsprävention, der Arbeitsgestaltung und -organisation in und mit Unternehmen entwickelt und als Pilotprojekte in die betriebliche Praxis überführt werden. Dabei liegt der Fokus besonders auf branchenübergreifenden und interdisziplinären Projekten.
Weiterführende Informationen zum Programm "Zukunft der Arbeit" finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Programmwebsite des BMBF.
Glossar:
1Business-to-Business: Business-to-Business beschreibt eine Geschäftsbeziehung zwischen zwei oder mehreren Unternehmen. zurück
2Asset-Tracking-System: Asset-Tracking beschreibt die Methode zur Nachverfolgung von physischen Assets (dt. Sachwerten, Gütern), beispielsweise durch das Scannen von Barcode-Etiketten, die zuvor an den Assets angebracht wurden. zurück
3Gateways: In Bezug auf Asset-Tracking dient ein Gateway zur Übertragung der von den Sensoren gesammelten Daten an eine zentrale Cloud-Plattform. Das Gateway selbst ist ein Empfangsgerät, das üblicherweise in Innenräumen angebracht ist (siehe Abbildung 2). zurück
4Externe oder integrierte Antenne: In Bezug auf Asset-Tracking werden Antennen eingesetzt, um eine drahtlose Übertragung der gesammelten Daten an eine zentrale Cloud-Plattform zu gewährleisten. zurück
5BLE-Beacons: Bei Bluetooth Low Energie (BLE) Beacons handelt es sich um kleine Funksender, die auf der Bluetooth-Technik basierende Signale senden und empfangen. Beispielsweise können BLE-Beacons in einem Warenlager an Kisten angebracht werden, um zu überprüfen, wo sich die Produkte im Versandprozess befinden. zurück
6RFID-Labels: Mittels Radiofrequenz-Technologie dienen RFID-Labels zur Identifizierung von Artikeln und fungieren damit als Nachverfolgungssystem. Die RFID-Labels sind dabei in Papier integrierte RFID-Sensorik und können daher an Geräten, Anlagen und Produkten angebracht werden. zurück