Nachhaltig erfolgreich: Das rückenwind+ -Projekt "Vielfaltsbewusst in Führung" des Arbeiterwohlfahrt Bundesverbands e.V.

Datum
07.02.2023

150 geförderte Modellprojekte, rund 25.000 Teilnehmende aus 1.600 Unternehmen der Sozialwirtschaft - eine starke Bilanz des ESF-Programms "rückenwind+ " (ESF-Förderperiode 2014 - 2020). Unter Transfergesichtspunkten zeigen exemplarisch ausgewählte "rückenwind+ "-Projekte nach Ende der Förderlaufzeit, welche Veränderungen ausgehend von der konkreten ESF-Förderung in den jeweiligen Unternehmen entstanden sind. Dieses Mal stellen wir das Projekt "Vielfaltsbewusst in Führung. Mit Diversity Management Potenziale erkennen, Strukturen verändern, Personal gewinnen und binden" ("ViF") vor. Das Modellprojekt des AWO Bundesverbands e.V. hat an zwei Modellstandorten praxisnahe Diversity-Konzepte für die erfolgreiche Umsetzung in der sozialwirtschaftlichen Praxis entwickelt. Auch nach dem Projektende im August 2022 geht die Arbeit dort weiter.

Ausgangspunkt des dreijährigen ESF-Projekts war der 1. Gleichstellungsbericht der Arbeiterwohlfahrt (2018). Dieser machte den Handlungsbedarf zur Stärkung von Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in dem stark wertegebundenen Verband deutlich. Beispielsweise waren Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert. Bei dem anstehenden Generationenwechsel zeigte sich nicht nur die Notwendigkeit eines organisationalen Wandels, sondern auch die gleichstellungspolitische Chance.

"Mit dem "ViF"-Projekt ist die AWO einen wichtigen Schritt von der Problemanalyse ins Handeln gegangen", betont Projektleiterin Sina Küster. Dabei verfolge die AWO mit dem Rückgriff auf Diversity Management eine Gleichstellungsstrategie, die entsprechend ihres offenen und vielfaltsbewussten Verständnisses von Geschlecht auch andere Vielfaltsdimensionen wie sexuelle Identität und Orientierung, soziale und ethnische Herkunft, Hautfarbe, Religion, Alter und Behinderung in den Blick nehme.

Zwei Standorte - ein Ziel: Die AWO will bunter und vielfältiger werden!

An zwei Modellstandorten - den Bezirksverbänden Westliches Westfalen und Schwaben - entwickelte das dreiköpfige Projektteam gemeinsam mit Fach- und Führungskräften aus allen Arbeitsbereichen AWO- und standortspezifische Diversity-Konzepte. Dazu gehörten Leitbilder vielfaltsbewusster Führung und Standards vielfaltsbewusster Personalgewinnung und -entwicklung, die mit konkreten Maßnahmen für die Umsetzung hinterlegt wurden. Bei der Konzeptentwicklung wurde unter anderem folgenden Fragen nachgegangen:

  • Wie ist der Status quo? Welche Zahlen zur Gleichstellung und Vielfalt der Mitarbeiter*innen sind vorhanden?
  • Welche Anknüpfungspunkte an vorhandene Prozesse im Bereich Personalrekrutierung und -entwicklung gibt es?
  • Was sind Grundsätze vielfaltsbewusster Führung und wie kann die Vielfaltskompetenz von Führungskräften aktiv weiterentwickelt werden?
  • Wo sind die Modellstandorte gut aufgestellt und wo besteht der größte Handlungsbedarf?
  • Wie kommen die Gliederungen von Einzelbeispielen erfolgreicher Praxis zu strukturellen Veränderungen, etwa beim Thema alternativer Führungsmodelle?
  • Wie kann die AWO ihre Marke als vielfaltsbewusste Arbeitgeberin stärken?
  • Welche Strukturen sind erforderlich, um aktiven Diskriminierungsschutz zu gewährleisten?
  • Wie können gesellschaftlich benachteiligte Gruppen, die in der Belegschaft und/ oder Leitungspositionen bisher unterrepräsentiert sind, wie z.B. Frauen, LGBTIQ-Mitarbeiter*innen und Mitarbeiter*innen mit rassistischen Diskriminierungserfahrungen, gezielt angesprochen und gefördert werden?

Das Projekt setzte vor allem bei Führungskräften in ihrer besonderen Rolle als Entscheidungsträger*innen und Personalverantwortliche an und nahm dabei auch die höchsten Hierarchieebenen in den Blick. Lisa Hitzke, Sachbereichsleiterin Gleichstellung und Vielfalt beim Bezirksverband Schwaben führt dazu aus: "Über 200 Führungskräfte der beiden Modellstandorte setzten sich im letzten Projektdrittel in einer Reihe umfassender Führungskräfte-Trainings intensiv mit den Projektergebnissen auseinander. Damit legten sie die Grundsteine für die Implementierung der Diversity-Konzepte über die Projektlaufzeit hinaus."

Tafel mit Notizen
Eindrücke aus dem World Café zur Projektbilanz auf der Abschlussveranstaltung im AWO Bezirksverband Schwaben e.V. © AWO Bundesverband e.V.

Das Projekt zielte außerdem darauf ab, Multiplikator*innen aus verschiedenen Arbeitsbereichen zu gewinnen und weiterzubilden sowie Mitarbeiter*innen aus unterrepräsentierten Gruppen zu stärken. Durch die Corona-Pandemie verlagerten sich die meisten Trainings und Vernetzungsformate in den digitalen Raum. Michelle Borkowski, Personalreferentin Diversity Management und bis August 2022 Projektmitarbeiterin am Modellstandort Westliches Westfalen berichtet: "Viele Teilnehmer*innen waren überrascht von den Möglichkeiten, die Online-Formate über die Aneignung von Wissen hinaus boten". Insgesamt, so Borkowskis Erfahrung, schätzten die Teilnehmenden vor allem die vielen Anregungen zur Selbstreflexion in praktischen Übungen und den kollegialen Austausch zum Umgang mit Vielfalt im Führungsalltag. Besonders gefragt waren außerdem konkrete Instrumente zur Umsetzung vielfaltsbewusster Führung wie z.B. die vielfaltssensible Gestaltung von Stellenausschreibungen, Auswahl- und Mitarbeiter*innengesprächen.

Transfer und nachhaltige Verankerung der Projektergebnisse

Für den Transfer der Projektergebnisse in den Gesamtverband fanden im Projektverlauf drei digitale Fach- und Vernetzungstreffen für Gleichstellungs- und Vielfaltsakteur*innen der AWO statt. "Auf großes Interesse ist vor allem die Veranstaltungsreihe "Vielfaltsbewusste Führung - Konzepte und Methoden für die Umsetzung in der AWO" gestoßen", resümiert Projektleiterin Küster. Über 90 Führungskräfte sowie Mitarbeiter*innen aus den Bereichen Personal und Personalentwicklung aus fast 40 verschiedenen Landes-, Bezirks- und Kreisverbänden erhielten dort Impulse für die Arbeit im eigenen Verband und stärkten ihre Vielfaltskompetenz. Ein motivierender Nebeneffekt der Veranstaltungsreihe entstand laut Küster, als deutlich wurde, dass es auch über das "ViF"-Projekt hinaus bereits einige Best Practice-Beispiele in der AWO gibt: "Etwa zur vielfaltssensiblen Webseitengestaltung, zur Rekrutierung unterrepräsentierter Gruppen und Führungskräfteentwicklung". Eine Transfererfahrung mit Auftrag: Die Teilnehmer*innen wünschten sich weitere verbandsübergreifende Austauschmöglichkeiten, um den Wissenspool innerhalb der AWO bestmöglich nutzen zu können und gemeinsam schneller voranzukommen.

Auf der Abschlusstagung "AWO-Werte in der Praxis - wie vielfaltsbewusste Führung gelingt" am 30.06.2022 in Berlin wurden die Projektergebnisse schließlich Haupt- und Ehrenamtlichen aus der AWO und Interessierten aus anderen Non-Profit-Organisationen sowie der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Führungskräfte der beiden Modellstandorte und externe Diversity-Trainer*innen, die an den Modellstandorten mit der Durchführung von Trainings betraut waren, teilten ihre Erfahrungswerte aus dem Projekt. Damit begeisterten sie auch die Tagungsteilnehmer*innen. Hochrangige Vertreter*innen der Modellstandorte und des Bundesverbandes machten zum Projektabschluss klar, dass die Impulse des Förderprojekts langfristig genutzt werden sollen und die begonnene Arbeit auch über das Projektende hinaus weitergehen und personell abgesichert werden wird. Uwe Hildebrandt, Geschäftsführer des AWO Bezirksverbands Westliches Westfalen e.V., führte dazu aus: "Schon während des Projektes waren wir uns einig: Nach den drei Jahren muss es weitergehen! Deshalb wurde eine Stelle in der Personalentwicklung mit dem Fokus auf Diversity Management geschaffen. Uns geht es dabei auch um die nachhaltige Umsetzung des erarbeiteten Leitbilds und der Standards." Am Modellstandort Schwaben wurde eine bereits vorhandene Stelle für Gleichstellung und Vielfalt in eine Vollzeitstelle umgewandelt. Marion Leichtle-Werner, stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Vorständin für Finanzen, Bau und Gleichstellung des AWO Bezirksverbands Schwaben e.V. betonte: "Das, was wir uns in diesem Projekt erarbeitet haben, müssen wir nun in der Praxis umsetzen. Wir müssen uns gegenseitig darin unterstützen, das Leitbild mit Leben zu füllen. Dafür wird es auch zukünftig umfangreiche Schulungen geben."

Menschengruppe in einem Saal
Abschlusstagung am 30.06.2022 in Berlin © AWO Bundesverband e.V.

Ein Thema auch für die Zukunft!

Auch bundesweit geht die Arbeit weiter. Der AWO Bundesverband e.V. hat dafür eine Stelle im Bereich der verbandsinternen Gleichstellung verstetigt. Damit wurde eine wichtige Grundlage geschaffen, um die gemeinsame verbandliche Gleichstellungsstrategie weiterzuentwickeln und die Umsetzung im Sozialunternehmen und Mitgliederverband zu unterstützen. Maßgeblich dafür ist die Arbeit der Kommission Geschlechtergerechtigkeit in der AWO, die bereits 2017 vom Präsidium des AWO Bundesverbandes eingesetzt wurde und das "ViF"-Projekt kontinuierlich begleitet hat. Sie wird ein Leitbild vielfaltsbewusster Führung für den Gesamtverband entwickeln und sich dabei an den Projektergebnissen orientieren. Insgesamt gilt es nun, die Konzepte, Methoden und Maßnahmen, die das "ViF"-Projekt zugeschnitten auf die AWO als großen Wohlfahrtsverband mit ihren Grundwerten und sozialen Arbeitsfeldern hervorgebracht hat, weiter in die Breite des Verbandes zu tragen. Einen wichtigen Beitrag dafür leistet der 2. Gleichstellungsbericht für das AWO-Hauptamt, der im September veröffentlicht wurde und in seinen Handlungsempfehlungen auf die Projektergebnisse verweist. Der Bericht macht einmal mehr deutlich, dass die Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in den eigenen Strukturen eine wichtige Voraussetzung ist, um den Verband mit seinen gesellschaftlich unverzichtbaren Angeboten und sozialen Dienstleistungen zukunftsfähig aufzustellen.

Informationen zu den Autorinnen des Beitrags:

Sina Küster: Referentin für verbandsinterne Gleichstellung und Leitung des "ViF"-Projekts beim AWO Bundesverband e.V.

Lisa Hitzke: Sachbereichsleitung Gleichstellung und Vielfalt und Ansprechpartnerin für das "ViF"-Projekt am Modellstandort AWO Bezirksverband Schwaben e.V.

Michelle Borkowski: Personalreferentin Diversity Management beim AWO Bezirksverband Westliches Westfalen e.V. (seit September 2022) und Projektmitarbeiterin am Modellstandort (bis August 2022)

Das ESF-Programm "rückenwind+ - Für die Beschäftigten und Unternehmen in der Sozialwirtschaft" (kurz: "rückenwind+ ")

Das Programm wurde in der ESF-Förderperiode 2014-2020 in enger Partnerschaft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW) entwickelt und umgesetzt. Am 30.09.2022 endete die Laufzeit des Programms
"rückenwind+ ". Ziel des Förderprogramms war die Fachkräftesicherung in sozialen Berufsfeldern. 53,5 Millionen Euro ESF-Mittel, zzgl. Bundesmittel, standen für die Programmumsetzung zur Verfügung. Insgesamt rd. 150 Modellvorhaben konnten so bei der Entwicklung vielfältiger und qualifizierter Ansätze und Instrumente für die Gestaltung moderner und attraktiver Arbeitsbedingungen in sozialen Berufsfeldern unterstützt werden. Fast 25.000 Beschäftigte in rund 1.600 Unternehmen waren in den Projekten aktiv. Konzeptionell beschäftigten sich die geförderten "rückenwind+ "-Projekte mit den fünf Themenfeldern: "Arbeit 4.0 & Digitalisierung" (seit 2017), "Führung & Unternehmenskultur", "Personal gewinnen & Personal fördern", "Lebensphasenorientierung & Gesundheit", "Vielfalt im Betrieb & Geschlechtergerechtigkeit".

Weitere Informationen zum Programm "rückenwind+" finden Sie auf dem ESF-Webportal, sowie auf der Programmwebsite.

Kontakt: regiestelle@bag-wohlfahrt.de

Auszug aus dem ESF-Newsletter