Frisch gebackene Ideen für ein Traditionshandwerk

Datum
29.05.2024

Bio-Bäckerin Gerhild Fischer aus Sachsen-Anhalt war schon immer aufgeschlossen gegenüber modernen Technologien. Mit Unterstützung des ESF Plus geförderten "Zukunftszentrums Digitale Arbeit Sachsen-Anhalt (ZZST)" und einem sogenannten "digitalen Zwilling" gewährt sie ihren Kund*innen einen besonderen Blick hinter die Kulissen des Bäckerhandwerks.

"Wir werden immer handwerklich arbeiten. Aber warum darf man das nicht ein bisschen moderner machen?", fragt Gerhild Fischer. Nördlich von Halle (Saale) hat sie 1986 in Wettin-Löbejün den Betrieb ihrer Eltern übernommen. Ehemann Stefan steht ihr dabei zur Seite und 2006 erfolgte die Zertifizierung zum Biobetrieb. Wenngleich bei ihnen traditionelles Backhandwerk großgeschrieben wird, sind sie gegenüber moderner Technologie keinesfalls abgeneigt. So können über eine eigene App Bestellungen getätigt und vor Ort abgeholt werden.
Auch Erfahrungen mit einem 3D-Druckverfahren kann die Bäckerei aufweisen: Als Frau Fischer im Jahr 2017 die Idee hatte, eine Lutherrose aus Mürbeteig zu backen, gab es keine passende Ausstechform. Sie wandte sich daher an die Handwerkskammer Halle (Saale), die wiederum Kontakt zur Hochschule Merseburg herstellte. Gemeinsam wurde schließlich mit Hilfe des 3D-Druckverfahrens eine Ausstechform aus Filament fabriziert. Diese innovative Idee wurde ein so großer Erfolg, dass Frau Fischer daraufhin ein Konzept für individuelle Teigstempel entwickelte, die sie mittlerweile auf ihrer Webseite anbietet.
Wie Digitalisierung im Handwerk geht, zeigt Gerhild Fischer mit einem digitalen Rundgang durch ihre Backstube auf der Website des Unternehmens. Das zeigt: Tradition und Zukunft kann auch zusammen passen.

Zwei Personen in einer Backstube
Bio-Bäckerin Gerhild Fischer aus Sachsen-Anhalt und ihr Ehemann waren schon immer aufgeschlossen gegenüber modernen Technologien. © Matthias Ritzmann

Mit der Unterstützung des "Zukunftszentrums Digitale Arbeit Sachsen-Anhalt (ZZST)" gelang Gerhild Fischer noch mehr Zusammenspiel von Tradition und Moderne. Mit einem sogenannten "digitalen Zwilling" ermöglicht sie Interessierten einen einzigartigen Einblick in ihr Handwerk. Ein digitaler Zwilling (Digital Twin) stellt ein stets aktuelles und genaues virtuelles 3D-Modell von z. B. einem Ort (egal ob ein Raum, ein komplettes Gebäude oder ein Außenbereich) oder auch ein beliebiges Objekt (z.B. Komponenten in der Fertigungs- oder Produktionsanlage) der realen Welt dar. Generiert wird der digitale Zwilling mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) und Technologien für maschinen-unterstütztes Lernen.
Diese innovative Technologie ermöglicht es den Kund*innen von Gerhild Fischer, auf der Bäckerei-Website virtuell durch die Produktionsstätten zu wandeln und zu erkunden, wo ihre geschätzten Backwaren entstehen. Frau Fischer setzt mit der Kombination von digitalem Zwilling und für einen Bäckereibetrieb ungewöhnlicher Kommunikation auf eine moderne Form des Storytellings, um die Beziehung zu den Kund*innen zu vertiefen und gleichzeitig einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren.

Die vom "ZZST" begleitete Bio-Bäckerei ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein traditioneller Handwerksbetrieb mit Hilfe digitaler Technologien seine Arbeitsabläufe optimiert, sich kontinuierlich an die Anforderungen des modernen Marktes anpasst und sich bei all dem treu bleibt. Digitale Lösungen können einerseits die Effizienz steigern, die Produktqualität verbessern und den Zugang zu neuen Märkten ermöglichen. Andererseits können sich neue Arbeitsanforderungen ergeben, die eine Weiterbildung erfordern oder bestehende Arbeitsplätze gefährden. Berufliche Bildung spielt daher eine entscheidende Rolle, um den Beschäftigten die notwendigen Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Technologien in ihren Bäckereien zu vermitteln. Dies kann sowohl durch spezifische Schulungen und Weiterbildungen als auch durch eine Integration digitaler Tools und Arbeitsmethoden in die Ausbildung von Bäcker*innen und Verkaufspersonal erfolgen.

Bei der Transformation unserer Arbeitswelt gibt es nicht "den einen richtigen Weg". Vielmehr sind die Betriebe dazu angehalten, ihren Weg selbst zu ebnen. Das Team vom "ZZST" agiert in Sachsen-Anhalt als Starthelfer und gibt Orientierung. Bei Gerhild Fischer ist diese Starthilfe gelungen - aber es gibt noch so viel mehr Betriebe, die ihr digitales Potenzial nach ihren Bedürfnissen und in ihrem Tempo ausschöpfen können.

Das ESF Plus-Programm "Zukunftszentren - Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen und Beschäftigten bei der (Weiter-)Entwicklung und Umsetzung innovativer Gestaltungansätze zur Bewältigung der digitalen Transformation" (kurz: "Zukunftszentren")

Im Rahmen des bundesweiten ESF Plus-Programms "Zukunftszentren" schlossen sich die Handwerkskammer Halle (Saale) und die Hochschule Merseburg 2019 unter anderem mit dem Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) zum Projekt "Zukunftszentrum Digitale Arbeit Sachsen-Anhalt (ZZST)" zusammen. Gefördert wird das Programm "Zukunftszentren" durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und durch die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) sowie eine Kofinanzierung durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt.

Das Programm unterstützt Unternehmen, ihre Beschäftigen sowie Selbstständige dabei, die großen aktuellen Veränderungsprozesse zu bewältigen und sozial zu gestalten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der Unterstützung von KMU und Solo-Selbstständigen.

Es zielt darauf ab, die Selbstlern- und Gestaltungskompetenz der Zielgruppen in den Transformationsprozessen zu fördern und ihre Leistungs- und Innovationsfähigkeit zu erhalten und zu stärken. Über die genannten Zielgruppen hinaus haben grundsätzlich alle Unternehmen bundesweit Zugang zu den Fördermaßnahmen. Die im Rahmen des Förderprogramms gewonnenen Erkenntnisse werden sukzessive veröffentlicht.

Im Rahmen des Programms werden zwölf "Regionale Zukunftszentren", ein "Zentrum Zukunft der Arbeitswelt" als übergeordnetes Zentrum und ein "Haus der Selbstständigen" als Kompetenz-, Vernetzungs-, und Beratungszentren zur Bewältigung des insbesondere digital getriebenen Wandels der Arbeitswelt gefördert.

Weitere Informationen zu dem Programm finden Sie auf www.zukunftszentren.de sowie auf dem ESF-Webportal

Auszug aus dem ESF-Newsletter