Azubis, die passen
- Datum
- 30.07.2018
Von Mai bis Oktober herrscht Hochbetrieb bei der Azubisuche. Bei den IHKs und anderen Kammern und sonstigen Organisationen der Wirtschaft melden sich zahlreiche Betriebe, die noch offene Stellen zu besetzen haben. Ein Trend, der seit Jahren zunimmt.
So stieg beispielsweise die Zahl der bei den Agenturen für Arbeit gemeldeten Ausbildungsstellen in Nord-Westfalen von 2010 bis 2017 um 1.807 auf 16.767 (plus 12,1 Prozent). Gleichzeitig sank die Zahl der gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber für Ausbildungsplätze in der Region um 2.494 auf 20.180 Bewerber (minus 11 Prozent). Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt gleichen sich damit scheinbar an.
Doch eine gelungene Passung sieht in der Realität anders aus. Denn trotz eines vermeintlichen "Überangebotes" von 3.400 Bewerbern, schlossen die IHKBetriebe in Nord-Westfalen im letzten Jahr fast 500 oder knapp fünf Prozent weniger Ausbildungsverträge ab als noch 2010. Grund ist der sogenannte Mismatch: Bewerber und Ausbildungsplätze finden nicht zusammen.
Laut Berufsbildungsbericht der Bundesregierung ist die Lösung dieses Problems die zentrale Herausforderung auf dem Ausbildungsmarkt. Junge Menschen übersehen oft für sie passende Angebote gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen. Die wiederum erreichen ihre potenziellen Zielgruppen häufig erst gar nicht. Die Folge sind unbesetzte Ausbildungsplätze sowie nach und nach immer mehr Betriebe, die sich aufgrund zahlreicher Fehlversuche, ihre Plätze zu besetzen, aus der Ausbildung zurückziehen. Beides aber kann man sich angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels nicht erlauben.
Um das Potenzial des Ausbildungsmarktes voll auszuschöpfen und jeden Ausbildungsplatz zu besetzen, ist eine individuelle, an Bedarf und Fähigkeiten orientierte Beratung notwendig. Genau das ist die Aufgabe der Beraterinnen und Berater in den sogenannten MatchingProjekten im Rahmen des Programms "Passgenaue Besetzung". Sie besuchen und beraten die Betriebe, ermitteln den betrieblichen Bedarf an Auszubildenden, erstellen Anforderungsprofile, suchen nach potenziellen Auszubildenden, sichten Bewerbungsunterlagen und führen Auswahlgespräche und Einstellungstests durch. Auf dieser Grundlage treffen sie eine Vorauswahl geeigneter Auszubildender und unterbreiten dem Betrieb passgenaue Vorschläge. Dass die Besetzung sorgfältig überlegt und eingefädelt ist, zeigt sich an der geringen Abbruchquote von lediglich drei Prozent.
Insbesondere kleinere Betriebe haben es schwer, die verschiedenen potenziellen Zielgruppen im Blick zu behalten und mit diesen in Kontakt zu kommen. So müssen Studienabbrecher anders und woanders angesprochen werden als der oft schüchterne Schulabgänger, dem lediglich Selbstvertrauen zur notwendigen Eigenpräsentation fehlt. Da sind ein akribisches Vorgehen und viel Einfühlungsvermögen gefragt - geht es doch um die Motive und Persönlichkeiten hinter den nicht immer stringenten Werdegängen. Und oft lässt das Tagesgeschäft in einem kleineren Unternehmen keine Zeit für eine aktive, systematische und intensive Bewerbersuche, zum Beispiel durch Teilnahme an Berufsmessen.
"Passgenaue Besetzung" ist das Nachfolgeprogramm von "Passgenaue Vermittlung" aus der ESF-Förderperiode 2007-2013. Es wurde erweitert um die Beratung von KMU zur Integration von ausländischen jugendlichen Auszubildenden, insbesondere aus dem europäischen Ausland, und von ausländischen Fachkräften. Ziel ist die Etablierung einer Willkommenskultur im Unternehmen. Gefördert werden Beratungsleistungen und Unterstützungsmaßnahmen der Handwerks-, Industrie- und Handelskammern, der Kammern der Freien Berufe sowie anderer gemeinnützig tätiger Organisationen der Wirtschaft.
Die Beraterinnen und Berater der "Passgenauen Besetzung" in Kammern und sonstigen Organisationen der Wirtschaft unterstützen seit 2007 bundesweit kleine und mittlere Unternehmen bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen. Seit 2007 wurden insgesamt rund 80.000 Ausbildungsplätze und rund 9.800 Stellen für die Einstiegsqualifizierung passgenau besetzt.
Weitere Informationen zum Programm "Passgenaue Besetzung" finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf dem Webportal des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Konkrete Beispiele zur passgenauen Besetzung von Ausbildungsplätzen in kleinen und mittleren Unternehmen können Sie im Artikel "Azubis, die passen" in dem von der IHK Nord Westfalen herausgegebenen Wirtschaftsspiegel 3/2018 nachlesen.