EVerAssist - Digitale Assistenzsysteme sichern Erfahrungswissen

Datum
31.03.2022

"EVerAssist" steht als Kurzform für "Einführung und Verstetigung technologiebasierter Assistenzsysteme in KMU". Das ESF-geförderte Forschungsprojekt hat das Ziel, digitale Assistenzsysteme erfolgreich in den Arbeitsalltag der Produktion zu integrieren. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie können Assistenzsysteme langfristig den Austausch und Erhalt von Wissen fördern?

Warum ist Erfahrungswissen in der Produktion so wichtig?

Die Bedienung und Instandhaltung von hochkomplexen Anlagen verlangen von den Mitarbeitenden umfangreiche Kompetenzen. Um Zusammenhänge an Anlagen zu verstehen, die beispielsweise Erdöl, Erdgas oder Nahrungsmittel verarbeiten, ist ein vielfältiges Wissen aus Daten, Theorie und Erfahrung erforderlich. Wenn z.B. die Gastemperatur einer Gasdruckregelanlage zu niedrig ist, kann dies vielfältige Ursachen haben. Um diese schnell zu ermitteln, ist Erfahrungswissen ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Zudem sind mit einigen komplexen Vorgängen oder selten eintretenden Ereignissen oftmals nur wenige Mitarbeitende vertraut. Durch Dokumentationslücken oder Personalfluktuation ist die erforderliche Expertise im Zweifelsfall dann nicht schnell verfügbar oder fehlt sogar.

Was leisten digitale Assistenzsysteme?

Assistenzsysteme können die Fähigkeiten von Mitarbeitenden in der Produktion unterstützen. Sie stellen bauteil- und situationsbezogen Assistenzinhalte auf mobilen Endgeräten zur Verfügung. Assistenzinhalte können z.B. Tipps und Handlungsempfehlungen von erfahrenen Kolleg*innen sein. Durch die mobile Umsetzung greifen Mitarbeitende direkt in der Handlungssituation auf die Inhalte zu.

Eine Frau im Maschinenraum
Mobiler Zugriff auf Assistenzinhalte in einer gastechnischen Anlage bei der CeH4 technologies GmbH © CeH4 GmbH; Celle

Assistenzsysteme bieten das Potenzial,

  • die Informationsbeschaffung im Arbeitsprozess zu vereinfachen,
  • den Erfahrungstransfer zu fördern,
  • Kompetenzen bei der Bedienung und Instandhaltung komplexer Anlagen zu stärken
  • und einen gewerkeübergreifenden, digitalen Informationsaustausch zu etablieren.

Langfristig können so Wartungs- bzw. Stillstandzeiten reduziert und Wissen im Unternehmen gehalten werden.

Im Projekt "EVerAssist" wird derzeit ein am Fraunhofer IFF in Magdeburg bereits verfügbares Assistenzsystem weiterentwickelt und bei der GESA Automation GmbH (Teuchern) sowie der CeH4 technologies GmbH (Celle) eingeführt und erprobt. Begleitet wird der Einführungsprozess durch die EUMEDIAS AG in Magdeburg.

Zwei Männer in einem Maschinenraum
Erprobung verschiedener Endgeräte während der Wartung eines Notstromgenerators bei der GESA Automation GmbH © K. Dix, GESA Automation GmbH

Wie kann der Einführungsprozess gestaltet werden, damit das Potenzial von Assistenzsystemen ausgeschöpft wird?

Das ist die Kernfrage des Forschungsprojekts. Grundsätzlich gilt: Mit einer Systemeinführung geht immer auch ein unternehmenskultureller Wandlungsprozess einher. Ein Kernelement des Projekts ist daher ein "Befähigungskonzept", welches von der EUMEDIAS entwickelt wird. Dieses beinhaltet weitaus mehr als klassische Einweisungen in die Software. So werden Mitarbeitende beispielsweise auch darin unterstützt, die Rolle der "Redakteur*innen" oder des "Koordinators von Assistenzinhalten" zu übernehmen und damit als Multiplikator*innen in ihren Unternehmen zu wirken. Gemeinsam wird u.a. überlegt: "Wie werden Kolleg*innen motiviert, Assistenzinhalte zu erstellen? Wie identifizieren wir bei uns im Unternehmen wertvolle Tipps und Tricks?" Das "Befähigungskonzept" beinhaltet dabei auch einen reflektierten Umgang mit den sozialen Effekten, die durch die Systemeinführung ausgelöst werden. "Die Keimzelle von Veränderung ist im Handeln einzelner Personen begründet. Das beginnt bei der Geschäftsführung und hört beim*bei der Mitarbeiter*in auf", konstatiert Jeanette de la Barré von der EUMEDIAS, die als Kooperationspartner im Projekt den Kompetenzaufbau und den Qualifizierungsprozess verantworten.

Mit welchen Assistenzfunktionen gelingt ein einfacher Wissenstransfer im Arbeitsprozess?

In einem partizipativen Prozess wurden zudem bestehende Assistenzfunktionen für einen niederschwelligen Einsatz im Arbeitsalltag weiterentwickelt. Die Anwendungspartner nutzen etwa das Tool "Checkliste", ein digitales Wartungsprotokoll. Mitarbeiter*innen tragen Messwerte ein oder bewerten Zustände. Gleichzeitig haben sie Zugriff auf relevante Dokumente, wie z.B. Fließschemata und Bedienungsanleitungen, oder auf bauteilbezogene Sensordaten. Weniger erfahrene Mitarbeiter*innen können zu jeder Wartungsaufgabe durch einen Klick hilfreiche Tipps und Tricks von Kolleg*innen abrufen. Damit dient das Tool sowohl der Dokumentation als auch dem Wissenstransfer. Ergänzt wird die Checkliste durch das Tool "Wissensbaustein": Hier geben Nutzer*innen einen kurzen Text ein und fügen multimediale Elemente hinzu, z.B. einen Hinweis mit einem Foto. So erfolgt eine niederschwellige Anreicherung von Checklisten mit Erfahrungswissen.

Erste Evaluationsergebnisse zeigen, dass die Mitarbeitenden das System akzeptieren und eigenständig nutzen. Wichtig ist ihnen jedoch vor allem Eines: Dass das System zwar eine unterstützende Funktion hat, ihnen das eigenverantwortliche Handeln jedoch nicht abnimmt.

Ausblick: Übertragbarkeit der Lösung

Das Assistenzsystem als technische Lösung und die zur Einführung entwickelten Vorgehensweisen sollen am Ende des Projekts auf andere Unternehmen und Branchen übertragbar sein. U.a. wird ein Dienstleistungsangebot zur Verfügung stehen, welches das Befähigungskonzept und die methodische Begleitung des Einführungsprozesses umfasst.

Mehr Informationen zum Projekt "EverAssist" finden Sie hier.

Das Programm "Zukunft der Arbeit"

Das Forschungs-und Entwicklungsprojekt "EverAssist - Einführung und Verstetigung technologiebasierter Assistenzsysteme in KMU" wird im Rahmen des Programms "Zukunft der Arbeit" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds gefördert. Das Programm greift die Herausforderungen auf, die für Unternehmen (insbesondere KMU) und Menschen durch Strukturwandel, Technisierung und zunehmende Globalisierung in der Arbeitswelt entstehen, und lädt Unternehmen und Forschungseinrichtungen ein, mit innovativen Forschungsprojekten aktiv die Zukunft unserer Arbeitswelt mitzugestalten. Ziel des Programms ist es, technologische und soziale Innovationen gleichermaßen voranzubringen. Dazu sollen neue Modelle der Qualifizierung, der Gesundheitsprävention, der Arbeitsgestaltung und -organisation in und mit Unternehmen entwickelt und als Pilotprojekte in die betriebliche Praxis überführt werden. Dabei liegt der Fokus besonders auf branchenübergreifenden und interdisziplinären Projekten.

Weiterführende Informationen zum Programm "Zukunft der Arbeit" finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Programmwebsite des BMBF.

Auszug aus dem ESF-Newsletter