Vom produzierenden Unternehmen zum Smart-Service-Anbieter

Datum
22.06.2022

Derzeit forcieren produzierende Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus vermehrt den Wandel vom Produkthersteller zum Serviceanbieter. Insbesondere rücken dabei digitale Dienstleistungen - sogenannte Smart Services - in den Fokus der Unternehmen. Smart Services beruhen auf der Auswertung großer Datenmengen, die von intelligenten, kommunikationsfähigen Maschinen und Anlagen (Smart Machines) bereitgestellt werden. Die Transformation vom traditionellen Produkthersteller zum Smart-Service-Anbieter stellt für Unternehmen ein großes Potenzial zur Erweiterung ihres Geschäftsmodells dar, erfordert aber auch eine grundlegende Änderung der gegenwärtigen Wertschöpfung. Hierbei unterstützt das ESF-geförderte Projekt "IMPRESS".

Digitalisierung und Servitisierung

Es sind vor allem die beiden Trends Digitalisierung und "Servitisierung", die Smart Services in den Fokus von Unternehmen rücken. Digitalisierung ist unter anderem Folge des rasanten Fortschritts der Informations- und Kommunikationstechnologien und ermöglicht die Vernetzung von Marktleistungen in f1zeinem "Internet der Dinge, Daten und Dienste" 1 . Der zunehmende Anteil von Dienstleistungen an Geschäftsmodellen wird durch den Trend der "Servitisierung" 2 beschrieben. Smart Services als digitale Dienstleistungen bauen auf den Daten intelligenter Produkte auf und erzeugen einen Mehrwert für den Nutzer durch fortlaufende Datenerfassung und -analyse, sind eigenständige Marktleistungen und gehen Hand in Hand mit neuen, innovativen Geschäftsmodellen. Deren Umsetzung erfordert die Transformation produzierender Unternehmen zu Smart-Service-Anbietern. Hierfür müssen Unternehmen bestehende Strukturen und Denkweisen anpassen. Dazu zählen sowohl strategische und taktische als auch operative Aspekte.

Smart-Service-Transformation anhand von Mustern

Die ganzheitliche Planung der Smart-Service-Transformation ist ein hochkomplexes Unterfangen. Es wird eine neue Geschäftsstrategie, ein neues Geschäftsmodell sowie eine neue Organisationsstruktur benötigt. Zur Beherrschung der Komplexität hat sich ein Vorgehen anhand von Mustern etabliert. Diese stellen Lösungs- und Gestaltungswissen für wiederkehrende Problemstellungen bereit. Die Lösungsmuster bilden die Bausteine, die für die Erbringung von Smart Services notwendig sind. Sie beschreiben beispielsweise typische Mitarbeiter*innenkompetenzen oder Wertschöpfungsschritte und lassen sich vom Unternehmen wie Puzzleteile zu einem individuellen hybriden Wertschöpfungssystem zusammensetzen. Vor diesem Hintergrund wird im Forschungsprojekt "IMPRESS" ein Instrumentarium zur musterbasierten Planung hybrider Wertschöpfung und Arbeit zur Erbringung von Smart Services erarbeitet, welches Unternehmen bei der eigenständigen und zielgerichteten Gestaltung der Smart-Service-Transformation unterstützen soll.
Zu dem Instrumentarium gehören erfolgsversprechende Vorgehensweisen und Teillösungen in Form von Normstrategien und Geschäftsmodellmustern. Es entsteht ein Referenzprozess zur Transformation zum Smart-Service-Anbieter. Dieses Instrumentarium wird Unternehmen in Form einer Web-Applikation zur Verfügung gestellt. Sie umfasst vier aufeinander aufbauende Schritte, durch die der Nutzer geführt wird. Zunächst werden ihm strategische Stoßrichtungen für das Smart-Service-Geschäft zur Auswahl gestellt. Diese bilden die Grundlage, um das Smart-Service-Geschäft weiter zu planen.

Illustration Plakat
Smart-Service-Normstrategie für die Ausgestaltung der strategischen Stoßrichtung © IMPRESS

Je nach gewählter Richtung werden im zweiten Schritt Muster zur Gestaltung eines Smart-Service-Geschäftsmodells zur Verfügung gestellt, die individuell ausgewählt werden können. Die Kombination der Muster ergibt eine grundlegende Geschäftslogik, die in der Form eines sogenannten Business Model Canvas (BMC) dargestellt wird. Im darauffolgenden dritten Schritt können die einzelnen Elemente des BMC unternehmensindividuell angepasst oder ergänzt werden. Auf Grundlage der ausgewählten Elemente werden den Nutzer*innen in einem weiteren Schritt Vorschläge zur Umsetzung des individuellen Smart-Service-Geschäftsmodells gemacht.

Schaubild
Business Model Canvas mit den ausgewählten Smart-Service-Geschäftsmodellmustern © Projekt AnGeWaNt (Arbeit an geeichten Waagen für hybride Wiegeleistungen an Nutzfahrzeugen)

Die Web-Applikation unterstützt Unternehmen bei der Planung und Gestaltung ihrer Smart-Service-Transformation. Ihre einfache Navigationsstruktur ermöglicht es, spätere Änderungen der Smart-Service-Idee einfach und unkompliziert in der Strategie und dem Geschäftsmodell vorzunehmen. Um eine ganzheitliche Planung der Smart-Service-Transformation zu ermöglichen, ist der Ausbau der Web-Applikation um weitere Lösungsmuster auf taktischer und operativer Ebene geplant. Eine Mustersammlung wird bereitgestellt und durch Workshop- und Schulungskonzepte zur Anwendung ergänzt.

Das Instrumentarium wurde in Zusammenarbeit mit den Forschungspartnern des Verbundprojektes, dem Heinz Nixdorf Institut, dem Fraunhofer - IEM und der TU Chemnitz, entwickelt. Die Validierung und die Weiterentwicklung des Gestaltungswissens wurde gemeinsam mit den Anwenderunternehmen ISTOS GmbH, Freund Maschinenfabrik GmbH & Co. KG und MSF-Vathauer Antriebstechnik GmbH & Co KG sowie der Weidmüller Interface GmbH & Co. KG, FIWARE Foundation, e.V. und Diebold Nixdorf als Technologie-Entwicklern vorgenommen. Weiterführende Informationen zum Projekt "IMPRESS" finden Sie auf der Projektwebsite. Die Web-Applikation ist unter www.smartservice-transformation.com aufrufbar.

Das Programm "Zukunft der Arbeit"

Das Forschungsprojekt "IMPRESS" wird im Rahmen des Programms "Zukunft der Arbeit" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Das Programm greift die Herausforderungen auf, die für Unternehmen (insbesondere KMU) und Menschen durch Strukturwandel, Technisierung und zunehmende Globalisierung in der Arbeitswelt entstehen, und lädt Unternehmen und Forschungseinrichtungen ein, mit innovativen Forschungsprojekten aktiv die Zukunft unserer Arbeitswelt mitzugestalten. Ziel des Programms ist es, technologische und soziale Innovationen gleichermaßen voranzubringen. Dazu sollen neue Modelle der Qualifizierung, der Gesundheitsprävention, der Arbeitsgestaltung und -organisation in und mit Unternehmen entwickelt und als Pilotprojekte in die betriebliche Praxis überführt werden. Dabei liegt der Fokus besonders auf branchenübergreifenden und interdisziplinären Projekten.

Weiterführende Informationen zum Programm "Zukunft der Arbeit" finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Programmwebsite des BMBF.

Glossar:

f1 1 Internet der Dinge (englisch: Internet of things - IoT) bezeichnet die Gesamtheit smarter Geräte und physischer Objekte, die mit dem Internet verbunden sind: Von Kühlschränken über Smartphones bis hin zu vernetzten Zahnbürsten oder intelligenten Rollläden oder Toastern. Die smarten Geräte sammeln permanent Daten, um bessere Dienste anbieten zu können und gelten somit als Treiber für den Einsatz von Big Data und künstlicher Intelligenz (KI).
Ein Beispiel für eine private Anwendung des Konzeptes ist die Smart Watch, die auch als Wearable bezeichnet wird. Sie kann die Aktivitäten des Nutzers aufzeichnen und die Daten auswerten. So werden ein Fitness Tracking, ein Monitoring des Gesundheitszustandes des Trägers oder weitere Services und Schnittstellen mit ähnlichen Geräten, zum Beispiel Smartphones, Laptops und Desktop PCs, möglich.
Beispiele für industrielle Anwendungen sind Smart Grids oder Smart Power Grids. Dies sind intelligente Verteilernetzwerke, die ein Lastenmanagement von Energieproduktion und -verbrauch vornehmen. Die Energie aus verschiedenen Kraftwerken wie Solar, Wind, Biogas oder Wasser wird in Abhängigkeit des Verbrauchs an den Endnutzer verteilt, um Versorgungsspitzen auszugleichen und den Betrieb effizienter werden zu lassen. zurück

f2 2 Servitisierung: ist eine Geschäftsmodellinnovation, die für produzierende Unternehmen relevant ist und die Änderung des bisherigen Angebotsportfolios weg von nur Sachgütern und hin zu einer Kombination aus Sachgütern und Dienstleistungen bezeichnet. Dies erfordert nicht nur Änderungen in allen Komponenten des Geschäftsmodells, sondern auch einen Wandel im Selbstverständnis des Unternehmens und der Unternehmenskultur. Hierzu gehört, dass sich Unternehmen die Kundenperspektive aneignen, sich im Detail mit den Service-Bedürfnissen des Kunden auseinandersetzen und letztendlich den Übergang vom kurzfristigen Transaktionsgeschäft hin zu einem langfristigen sogenannten Relationship Business bewältigen. Darüber hinaus müssen zusätzlich zu den physischen Produkttechnologie-Kompetenzen die Praktiken zu Services bzw. Gesamtlösungen integriert und entwickelt werden. (aus Wikipedia) zurück

Auszug aus dem ESF-Newsletter