Abschluss und Ausblick - Hybride Transfertagung des ESF-Programms rückenwind+
- Datum
- 17.02.2022
Eine hybride "Transfertagung zum Abschluss des ESF-Programms "rückenwind+ ": Vielfalt, Wandel und Zukunftsfähigkeit in der Sozialwirtschaft" (#viwazu) bot am 9. November 2021 einen Rückblick auf zentrale Themen und Ergebnisse im Programm "rückenwind+ " sowie einen Ausblick auf die konzeptionelle Weiterentwicklung eines nachfolgenden ESF-Programms ab 2022.
Perspektiven für immer mehr Menschen - so lautete das Ziel des ESF-Programms "rückenwind+ - Für die Beschäftigten und Unternehmen in der Sozialwirtschaft " (kurz: "rückenwind+ "), das in der ESF-Förderperiode 2014 - 2020 in Partnerschaft der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW) und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) noch bis Ende September 2022 umgesetzt wird. Über 150 Antragsteller haben sich seit Programmstart dieser Herausforderung gestellt. Sie haben übertragbare Konzepte und Instrumente der Personal- und Organisationsentwicklung entwickelt und erprobt und reagieren damit auch auf eine sich rasant weiterentwickelnde Arbeitswelt.
Entstanden sind hochqualifizierte Ansätze des Change Managements in Unternehmen der gemeinnützigen Sozialwirtschaft. Mit ihren Modellprojekten nehmen die "rückenwind+ "-Projektträger eine Vielfalt relevanter Themen in den Blick, die die Freie Wohlfahrtspflege heute berücksichtigen muss, um weiter zukunftsfähig zu bleiben. Zu den Themen zählen Führung & Unternehmenskultur, Personal gewinnen & Personal fördern, Lebensphasenorientierung & Gesundheit, Vielfalt im Betrieb & Geschlechtergerechtigkeit sowie Arbeit 4.0 & Digitalisierung.
Ergebnisse und Erfahrungen
Im Rahmen der Tagung diskutierten Programmverantwortliche und -akteure Erfahrungen und Ergebnisse aus der Programmumsetzung und stellten bewährte Herangehensweisen sowie übertragbare Instrumente vor. Die Veranstaltung wurde per Live-Stream aus dem Change Hub Berlin übertragen, die Teilnahme erfolgte ausschließlich über die Online-Veranstaltungsplattform Hopin und war offen für alle Interessierten. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Gabriele Schambach (Genderworks Berlin) .
Vier Online-Workshops leiteten den Wissenstransfer der rund 160 Teilnehmenden am Vormittag ein. "rückenwind+ "-Projektträger präsentierten ihre im Projekt erarbeiteten Instrumente und Konzepte zu den Themen "Führung & Kultur" (zur Aufzeichnung), "Personal & Förderung" (zur Aufzeichnung), "Plattformen & Tools" (zur Aufzeichnung) und "Mentoring & Netzwerke" (zur Aufzeichnung). Deutlich wurde in allen Workshops, wie viel Expertise und Erfahrung zu notwendigen Veränderungsprozessen in sozialen Arbeitsfeldern bereits bestehen. Dazu zählen u.a. Konzepte der selbstorganisierten Teamarbeit, konkrete Umsetzungsschritte hin zum agilen Unternehmen, zielgruppengerechte (digitale) Anwerbestrategien sowie vielfaltorientierte und zeit-/ortsunabhängige Weiterbildungsangebote. Daneben präsentierten die Träger Modelle des Wissensmanagements sowie unterschiedliche Mentor*innen-, Tandem- oder Lots*innen-Konzepte.
Am Nachmittag standen eine Plenardiskussion sowie die Präsentation der Ergebnisse aus Perspektive der Regiestelle, der BAGFW sowie des BMAS auf dem Programm. Einen Rückblick auf fast sieben Jahre Erfahrungen und Ergebnisse aus der Programmlaufzeit "rückenwind+" gab der Beitrag der Regiestelle für das ESF-Programm von Bettina Wegner und Jana Klawitter* (zur Aufzeichnung). Der Beitrag betonte vor allem die an den konkreten Bedarfen der Sozialwirtschaft orientierte Ausrichtung des ESF-Partnerschaftsprogramms von BAGFW und BMAS sowie die kontinuierliche strategische Weiterentwicklung des Förderprogramms während der gesamten Laufzeit. Bettina Wegner, Leiterin der ESF-Regiestelle in der BAGFW, hob hier u.a. den 2017 neu hinzugekommenen Themenschwerpunkt "Arbeit 4.0 & und Digitalisierung" hervor. Was 2017 noch Pionierarbeit einzelner Träger war, gehört inzwischen zum Kerngeschäft des ESF-Programms. Denn "mittlerweile fördert 'rückenwind+ ' kaum mehr Vorhaben, die nicht mindestens auch die Thematik 'Arbeit 4.0 & Digitalisierung' berücksichtigen", so Wegner. Eine Programmentwicklung mit konkreten Folgen: Denn auch das geplante ESF Plus-Nachfolgeprogramm "rückenwind3 " ab Frühjahr 2022 wird den Fokus "Arbeit 4.0 & Digitalisierung" in den Mittelpunkt rücken.
*Jana Klawitter war bis 31.12.2021 Referentin in der ESF-Regiestelle in der BAGFW und übernahm bereits zum 01.11.2021 die Leitung der Koordinierungsstelle des Förderprogramms "Zukunftssicherung der Freien Wohlfahrtspflege durch Digitalisierung", das die BAGFW gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) umsetzt.
Transfer und Vernetzung
In ihren Eingangsstatements zur Plenardiskussion betonten die Vertreter der beiden Programmpartner, Wolfgang Husemann (BMAS) und Dr. Gerhard Timm (BAGFW), an diese Erfahrungen anknüpfend, den Erfolg des Partnerschaftsprogramms. "rückenwind+ " sei ein Programm, "das zeigt, dass wir Probleme ernst nehmen", so Wolfgang Husemann, Leiter der Gruppe "Europäische Fonds für Beschäftigung" im BMAS. Er warb dafür, sich dem Wandel der Arbeitswelt nicht entgegenzustellen, sondern notwendige Veränderungen aktiv mitzugestalten. "Hierzu setzen wir die bewährte Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege im Rahmen des ESF-Programms in der kommenden Förderperiode sehr gerne fort", versprach Husemann (zur Aufzeichnung des Statements von Herrn Wolfgang Husemann).
Dr. Gerhard Timm, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW), betonte in seinem Statement die entscheidende Multiplikatorenfunktion der "rückenwind+ "-Modellprojekte für die Ausgestaltung guter und attraktiver Arbeitsbedingungen in sozialen Berufsfeldern. Zwar könne ein ESF-Programm mit 150 Förderprojekten angesichts von rund 120.000 Einrichtungen und Diensten in der gemeinnützigen Sozialwirtschaft nur ein "Tropfen auf den heißen Stein sein", warnte Timm. Aber: " 'rückenwind+ ' ist Modellprogramm, Impulsgeber und Entwicklungsmotor für die Sozialwirtschaft zugleich". Gerade die Corona-Pandemie habe eindrucksvoll deutlich gemacht, wie dringend einem Fachkräftemangel und der zunehmenden Verknappung sozialer Dienstleistungen entgegengewirkt werden müsse, so Timm. Deutlich geworden sei aber auch, wie flexibel die Unternehmen der Sozialwirtschaft in der Krise reagieren konnten. "Wir brauchen Wandel - Und wir können Wandel!", ist sich Timm sicher. Er wünsche sich daher, dass erfolgreiche Konzepte der Organisationsentwicklung noch mehr genutzt werden (zur Aufzeichnung des Statements von Dr. Gerhard Timm).
Passgenauigkeit und Partnerschaft
Im offenen Dialog (zur Aufzeichnung) mit zwei Vertreterinnen der BAGFW in der Steuerungsgruppe "rückenwind+ ", Florentine Beck (Diakonie Deutschland) und Christin Lübbert (Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.), sowie vier Projektverantwortlichen aus der "rückenwind+ "-Förderung betonten alle Beteiligten noch einmal die Chancen, die die ESF-Förderung für die anstehenden Veränderungsprozesse bietet, vor denen Unternehmen der Sozialwirtschaft heute stehen.
Florentine Beck stellte dabei vor allem die gelebte Partnerschaft zwischen Ministerium und den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege (vertreten durch die BAGFW) als zivilgesellschaftlichen Partnern bei der Entwicklung und Umsetzung der Programmrichtlinie heraus. Beispielhaft für die gute Zusammenarbeit sei die paritätisch besetzte Steuerungsgruppe des ESF-Programms aus je sechs Vertreter*innen der sechs Spitzenverbände und des BMAS sowie die Einrichtung einer programmumsetzenden Regiestelle in der BAGFW: "Wir ziehen da an einem Strang", betonte Beck. Zentral für alle sei: "Es geht uns um eine Unterstützung der Sozialwirtschaft als Ganzes und die Menschen, die in ihr arbeiten, als unser größtes Kapital", so die BAGFW-Vertreterin. Die Passgenauigkeit des ESF-Programms entlang der aktuellen Bedarfe von Verbänden und Unternehmen in den letzten ESF-Förderperioden sieht Beck gerade in dieser "Kultur des einander-Zuhörens" begründet. "Es ist selten, dass wir als Wohlfahrtsverbände so gut eingebunden werden", so Beck.
Die Ausrichtung des zukünftigen ESF Plus-Programms "rückenwind3 für Vielfalt, Wandel und Zukunftsfähigkeit in der Sozialwirtschaft" ab 2022 erläuterte Christin Lübbert in Vertretung der Steuerungsgruppe. Sie machte deutlich, dass das ESF Plus-Programm trotz seines starken Fokus auf "Digitalisierung" nicht reduziert werden dürfe auf eine rein technische Seite. "Mit dem Programmtitel wollten wir vermeiden, zu suggerieren, dass "rückenwind3 " nur Projekte fördert, die diese technische Seite bedienen", so Lübbert. Ziel sei vielmehr, klarzumachen, dass Digitalisierung stets Veränderung auf unterschiedlichen Ebenen bedeute, etwa im Bereich von Tätigkeitsprofilen, Kommunikationsstrukturen, Führungsverhalten oder Fortbildungsformaten und Arbeitsprozessen. "rückenwind3 " sei damit das Ergebnis einer Folge von "rückenwind"-Programmgenerationen, die über die Förderung von Personalentwicklung hin zur Organisationsentwicklung nun in der ESF Plus-Förderperiode 2021-2027 notwendige Prozesse des Kulturwandels mit Fokus auf eine Arbeitswelt 4.0 in den Blick nähmen.
Erfahrungen aus der Projektumsetzung
Praxiseinblicke aus der Projektumsetzung teilten vier Projektleitungen aus der laufenden Programmperiode "rückenwind+ ".
Marcus Beier, Geschäftsführer des AWO Kreisverband Lausitz e.V. und bis 2020 Projektleiter des "rückenwind+ "-Projekts "Sozialwirtschaft im digitalen Wandel - Ein Verbundprojekt zur Schaffung optimaler (digitaler) Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen" beschrieb anschaulich, wie das Unternehmen im Rahmen von "rückenwind+ " Arbeitsprozesse digitalisiert hat, z.B. über eine digitale Pflegedokumentation - ohne im Prozess die Veränderungsbereitschaft von Mitarbeitenden zu verlieren. Sehr niedrigschwellig sei das Unternehmen hier vorgegangen, um die Mitarbeitenden zu befähigen, diesen Weg mitzugehen, habe immer wieder Workshops und Beratung angeboten, beschreibt Beier die Schüsselfaktoren für den gelungenen Wandel im Unternehmen. "Gleichzeitig haben wir den Mitarbeitenden von Anfang an gesagt: an dem und dem Tag schalten wir die analoge Akte ab. Ihr müsst digital arbeiten!", unterstreicht Beier. Erfreulich: Aufbauend auf den Erfahrungen mit dem ESF-Programm haben sich für den AWO Kreisverband Lausitz inzwischen viele weitere Förderprojekte in der Region entwickelt. "Das war ja unser erstes Projekt in dieser Dimension", betont Beier die Lernmomente, die im Unternehmen über die "rückenwind+ "-Inhalte hinaus genutzt werden konnten.
Auch Heike Stegink, Bereichsleiterin "Bildung. Digitalisierung. Personalmanagement" in der Lebenshilfe Nordhorn gGmbH und Projektleiterin des "rückenwind+ "-Projekts "ÜberMorgen. ÜberLebenshilfe - Über die Lebenshilfe von morgen." hob die Bildung neuer tragfähiger, regionaler wie auch unternehmensinterner Kooperationen und Netzwerke durch die ESF-Förderung als zentralen Mehrwert neben den Projekt-eigenen Inhalten hervor. So habe sich etwa ein branchenübergreifendes, regionales Gremium "Personalentwicklung" gebildet. "Das sind tolle Nebeneffekte für uns, da wir von den anderen Branchen lernen, aber auch merken, dass wir gemeinsam etwas bewegen können", unterstrich Stegink den zusätzlichen Nutzen der Projektumsetzung "rückenwind+ " für die Lebenshilfe.
Angela Berger, Digital Coach und Organisationsentwicklerin für den Deutschen Caritasverband e.V. und bis 2021 im "rückenwind+ "-Projekt "Caritas Tandem 4.0 - Förderung digitaler Transformationsprozesse" aktiv, empfahl, zentrale Notwendigkeiten für erfolgreiche Digitalisierungsprozesse in sozialen Unternehmen nicht außer Acht zu lassen: "Erfolgsfaktoren von Tandem 4.0 waren, bedarfsbezogen vor Ort zu arbeiten, schnell den Nutzen von Digitalisierung zu zeigen, Zeit zu haben für den Wandel und partizipativ zu arbeiten". Erforderlich sei bei diesen Prozessen wiederum eine Sprach- bzw. Kulturvermittlung, um potenziellen Nutzer*innen digitale Instrumente zu erklären und für Veränderung zu begeistern, fasste Berger ihre Erfahrungen als Digital Coach zusammen.
Auf die Impulswirkung von "rückenwind+ "-Projekten gerade für kleinere Verbandsuntergliederungen, die kaum Kapazitäten für die Beantragung größerer eigener Förderkonzeptionen hätten, verwies Anja Müller, Projektleiterin der "rückenwind+ "-Projekte " Kreisverband reloaded - Das DRK auf dem Weg in die digitale Arbeitswelt. " und " Professionalisierung und Digitalisierung der Personalarbeit in sozialwirtschaftlichen Organisationen " des Deutschen Roten Kreuzes e.V., Generalsekretariat. "Es muss ja nicht immer gleich die ganz große Digitalstrategie sein", so Müllers Erfahrung. Oft entstünden erst mal kleinere Prozesse, die aber erstaunliche Wirkungen in den beteiligten Einrichtungen entfalten könnten und eine Multiplikatorenfunktion für andere hätten.
Für die startende ESF Plus-Förderperiode und ein nachfolgendes "rückenwind"-Programm wünschten sich die Diskussionsteilnehmenden ebenso wie die Tagungsteilnehmenden im Chat vor allem noch mehr Flexibilität und weniger Verwaltungsaufwand in der Projektumsetzung. Hier habe sich bereits viel getan, lobte Marcus Beier. Die Herausforderung, zunehmend agilere Projektkonzeptionen mit den Vorgaben eines ESF-Programms zu vereinbaren, bleibe aber bestehen.
Die vollständige Aufzeichnung der Transfertagung zum Abschluss des ESF-Programms "rückenwind+ " vom 09.11.2021 ist in einer Playlist auf dem YouTube-Kanal des ESF-Programms zusammengefasst.
Weitere Infos auf dem YouTube-Kanal des ESF-Programms
Ebenfalls auf dem YouTube-Kanal findet sich eine Playlist mit zahlreichen Videos zu Projektpräsentationen "rückenwind+ ", die im Rahmen der Online-Reihe "Türen öffnen für digitalen Wandel" (2020) erstellt wurden, sowie eine Playlist mit Beiträgen der "Online-Werkstattgespräche" (2021), über die bereits im ESF-Newsletter August 2021 berichtet wurde (zum "rückenwind+ "-Artikel).
Autorin: Bettina Wegner, Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. / ESF-Regiestelle
Das ESF-Programm "rückenwind - Für die Beschäftigten und Unternehmen in der Sozialwirtschaft" (kurz: "rückenwind+ ")
Das ESF-Programm "rückenwind+ " ist ein im Jahr 2015 gestartetes Förderprogramm zur Fachkräftesicherung in sozialen Berufsfeldern. Ansatzpunkt ist die Personal- und Organisationsentwicklung in Unternehmen und Verbänden der gemeinnützigen Sozialwirtschaft. Ziel der Förderung ist die Verbesserung der Anpassungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten in der Sozialwirtschaft in Verbindung mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Organisationsstrukturen in den Einrichtungen, Diensten und Verbänden. Das Förderprogramm wurde gemeinsam vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der BAGFW entwickelt. Gefördert wird es aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und aus Bundesmitteln.
Weitere Informationen zum Programm "rückenwind+ " finden Sie auf dem ESF-Webportal, auf der Programmwebsite.
Kontakt: regiestelle@bag-wohlfahrt.de; @bagfw_esf | #esf_rückenwind; YouTube-Kanal des ESF-Programms