Klimaschutz für die Industrie - CO2-neutrale Gestaltung von Produktions- und Logistiksystemen

Datum
19.10.2023

Industrieunternehmen geraten zunehmend ins Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und sozialer Verantwortung und ökonomischem Erfolg. Dabei spielt der Klimaschutz eine immer wichtigere Rolle. Immer mehr Unternehmen setzen daher in Produktion und Logistik auf CO2-Neutralität. Das ESF Plus-geförderte "Zukunftszentrum KI NRW" informiert gemeinsam mit Professor Kieckhäfer vom Forschungsschwerpunkt Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit der FernUniversität Hagen zu dieser Thematik.

Unterschiedliche Motive

Für die steigende Tendenz, Treibhausgase einzusparen und Klimaneutralität anzusteuern, lassen sich bei den Unternehmen unterschiedliche Motive feststellen.
Dazu gehören zum Beispiel

  • wirtschaftliche Motive: Eine steigende Energie- und Ressourceneffizienz spart Kosten. Klimaschutz als ein Unternehmensziel kann der Markt mit höheren Umsätzen honorieren. Die Sorge, den Anschluss zu verlieren, wenn Wettbewerber aufgrund von Klimaschutzbemühungen neue Kundenkreise erschließen, motiviert Unternehmen zusätzlich.
  • "regulatorischer Druck": Gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union werden zukünftig alle großen Unternehmen in der EU dazu verpflichtet sein, u.a. über ihre CO2-Emissionen zu berichten. Hiervon werden ebenfalls kleine und mittlere Unternehmen (KMU) indirekt betroffen sein, wenn ihre Kunden Daten über die CO2-Emissionen aus den Vorketten abfragen. Neben Sanktionen, die bei Nichteinhaltung der CSRD zu erwarten sind, kann es auch das Image eines Unternehmens schädigen, wenn bekannt wird, dass es Klimaschutz-Vorgaben nicht einhält.
  • Überzeugung: Einige Unternehmen wollen aus ideellen Gründen nachhaltiger wirtschaften.

Emissionen bilanzieren

Ein wichtiger Schlüssel auf dem Weg zur CO2-Neutralität ist die Bilanzierung von Treibhausgas-Emissionen gemäß Greenhouse-Gas-Protocol.1
Dieses unterteilt die Emissionen eines Unternehmens in drei Bereiche:

  1. Direkte Emissionen eines Unternehmens durch die Verbrennung fossiler Energieträger. Diese können bspw. durch regenerative Energien ersetzt werden.
  2. Indirekte Emissionen, die durch außerhalb erzeugte und eingekaufte Energie entstehen.
  3. Indirekte Emissionen, die durch externe Produktion bspw. von Zulieferern, Nutzung der Endverbraucher*innen und Entsorgung anfallen.

Für viele Unternehmen entstehen die meisten Emissionen im dritten Bereich. Aus diesem Grund können Zulieferunternehmen von ihren Kunden Klimaziele vorgegeben bekommen, die diese teilweise rigide durchsetzen, um ihre eigene Bilanz zu verbessern. Für solche Zulieferunternehmen kann eine vorrausschauende Planung in Bezug auf Klimaschutz zu einem großen Wettbewerbsvorteil werden.

Effizienzsteigerung, alternative Energien und Recycling - sinnvolle Beiträge zur CO2 - Reduzierung

Um ihr Geschäftsmodell nicht zu gefährden, können Lieferanten zum Beispiel Strom aus erneuerbaren Quellen beziehen statt aus fossilen oder selbst produzieren. Beides ist heute noch teuer. Noch komplizierter ist es, den Wärmebedarf CO2-neutral zu decken. Das fordert insbesondere Industrien mit hohem Energiebedarf heraus, unter anderem die Baustoff-, Chemie-, Glas-, Metall-, Papier- und vor allem Stahlbranche. Die besonders energieintensive Stahlproduktion mit grünem Wasserstoff befindet sich noch in der Experimentierphase. Aktuell können durch Effizienzsteigerungen aber bereits Energie und damit Emissionen eingespart werden und Materialressourcen wiederverwendet werden. Effizienzsteigerung bezieht sich dabei auf die Verbesserung der Produktivität oder Leistung bei gleichem oder geringerem Ressourceneinsatz. Die Einführung energieärmerer Produktionsverfahren beispielsweise und die Wiederverwendung von Rohstoffen können zu einer Steigerung der Ressourcen- und Produktionseffizienz führen.

Das "Zukunftszentrum KI NRW" sensibilisiert und informiert seit Beginn des Jahres 2023 gemeinsam mit unterschiedlichen Partnern kleine und mittelständische Unternehmen zur Bilanzierung und Reduzierung von CO2-Emissionen und zur CO2-neutralen Gestaltung von Produktionssystemen und wird zukünftig diesen Bereich ausbauen. Aktuell kooperiert das "Zukunftszentrums KI NRW" hierzu mit dem an der FernUniversität in Hagen ansässigen Forschungsschwerpunkt Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit (E/U/N), dessen stellvertretende Leitung bei Professor Karsten Kieckhäfer vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktion und Logistik, liegt.

Klimaschutz ist nur eines der Nachhaltigkeitsprobleme

Ob wir auf einem guten Weg sind und das 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmung erreicht werden kann, ist mehr als fraglich. "Stand heute muss leider davon ausgegangen werden, dass der Temperaturanstieg zumindest temporär höher ausfällt", so Professor Kieckhäfer. Zudem stelle der Klimaschutz nur eines der Nachhaltigkeitsprobleme dar. Auch weitere Umweltprobleme wie soziale Probleme in globalen Lieferketten, zum Beispiel Kinderarbeit, Lohndumping und die Gesundheitsgefährdung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, müssen gelöst werden.

Das "Zukunftszentrum KI NRW" - Unternehmenspartner in Fragen der Digitalisierung

Zentrale Aufgabe des "Zukunftzentrums KI NRW" ist die Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), ihren Beschäftigten und Interessenvertretungen durch Wissensvermittlung und modellhafte Erprobung von Technologien zur Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI) in der betrieblichen Praxis. Das "Zukunftszentrum KI NRW" möchte dazu beitragen, die Chancen des digitalen Wandels und von KI-Anwendungen für Unternehmen und Beschäftigte herauszuarbeiten, bestehende Bedenken durch praxisnahe Beratung und Qualifizierung abzubauen und dadurch neue und innovative Arbeits- und Geschäftsprozesse anzustoßen.

Wie in der Förderrichtlinie des BMAS formuliert, sollen die Angebote der Zukunftszentren auch Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit berücksichtigen. Der Klimaschutz und die bereits jetzt schon gesetzlich verankerte CO2-Bilanzierungspflicht, als ein gewichtiger Teil der ökologischen Nachhaltigkeit, wird für Unternehmen zukünftig eine wettbewerbsentscheidende Rolle einnehmen. Daher hat sich das "Zukunftszentrum KI NRW" zur Aufgabe gemacht, Mittelstandsunternehmen in NRW auch zu Klimaschutz und CO2-Bilanzierung zu informieren, zu sensibilisieren und ihnen in Kooperation mit etablierten Partnern der Region Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. So sollen sich NRW-Unternehmen auch im internationalen Wettbewerb nachhaltig positionieren können.

Kontakt:

Das ESF Plus-Programm "Zukunftszentren - Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen und Beschäftigten bei der (Weiter-)Entwicklung und Umsetzung innovativer Gestaltungansätze zur Bewältigung der digitalen Transformation" (kurz: "Zukunftszentren")

Das Projekt "Zukunftszentrum KI NRW" wird im Rahmen des Programms "Zukunftszentren" durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW sowie durch die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert.

Mit dem ESF Plus-Programm "Zukunftszentren" wird an die Erkenntnisse und Ergebnisse des ESF-Förderprogramms "Zukunftszentren" (2014-2020) in den ostdeutschen Bundesländern und des Bundesprogramms "Zukunftszentren (KI)" in den westdeutschen Bundesländern und Berlin angeknüpft. Das Programm wurde deutschlandweit ausgeweitet und weiterentwickelt sowie eine bundesweit einheitliche Förderstruktur etabliert.

Im Wesentlichen richtet sich das Programm an drei Zielgruppen: an Unternehmen, insbesondere KMU, an ihre Beschäftigten sowie an Selbstständige, insbesondere Solo-Selbstständige. Es zielt darauf ab, die Selbstlern- und Gestaltungskompetenz der drei Zielgruppen in den Transformationsprozessen zu fördern und ihre Leistungs- und Innovationsfähigkeit zu erhalten und zu stärken. Über diese drei Hauptzielgruppen hinaus haben grundsätzlich alle Unternehmen bundesweit Zugang zu den Fördermaßnahmen. Die im Rahmen des Förderprogramms gewonnenen Erkenntnisse werden sukzessive veröffentlicht.

Im Rahmen des Programms werden 12 "Regionale Zukunftszentren", ein "Zentrum Zukunft der Arbeitswelt" als übergeordnetes Zentrum und ein "Haus der Selbstständigen" (Handlungsschwerpunkte) als Kompetenz-, Vernetzungs-, und Beratungszentren zur Bewältigung des insbesondere digital getriebenen Wandels der Arbeitswelt gefördert.

Qualifizierung im Betrieb neu denken und erproben

Mit dem Programm "Zukunftszentren" unterstützen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds (ESF Plus) Unternehmen, insbesondere KMU, und Beschäftigte gezielt dabei, die großen Veränderungsprozesse, die sich beispielsweise aus der Entwicklung Künstlicher Intelligenz oder anderen Technologien ergeben, zu bewältigen und vor allem sozial zu gestalten. Qualifizierung im Betrieb wird neu gedacht und erprobt. Mit innovativen Konzepten zur Weiterbildung im Betrieb werden beispielsweise digitale Kompetenzen in Unternehmen gefördert. Denn Digitalisierung verändert die Tätigkeiten und Anforderungen in allen Berufen. Die Angebote berücksichtigen im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes Aspekte des demografischen Wandels, der ökologischen Nachhaltigkeit, der Innovation, der Chancengleichheit und Förderung von Diversität.

Weitere Informationen zu dem Programm finden Sie auf www.zukunftszentren.de sowie auf dem ESF-Webportal.

1Das Greenhouse-Gas-Protocol ist der weltweit verbreitete Standard zur Bilanzierung von Treibhausgasen von Unternehmen und Organisationen, der vom World Resources Institute (WRI) und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) entwickelt wurde.

Auszug aus dem ESF-Newsletter