Nachhaltig erfolgreich: Das "rückenwind+"-Projekt "Kita 4.0"
- Datum
- 30.03.2023
150 geförderte Modellprojekte, rund 25.000 Teilnehmende aus 1.600 Unternehmen der Sozialwirtschaft - eine starke Bilanz des ESF-Programms "rückenwind+" (ESF-Förderperiode 2014 - 2020). Unter Transfergesichtspunkten zeigen exemplarisch ausgewählte "rückenwind+"-Projekte nach Ende der Förderlaufzeit, welche Veränderungen ausgehend von der konkreten ESF-Förderung in den jeweiligen Unternehmen entstanden sind. Dieses Mal stellen wir das Projekt "Kita 4.0 - Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften zum sicheren Umgang mit digitalen Prozessen im Arbeitsfeld Kindertageseinrichtung" vor. Das Modellprojekt der FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbH hat wichtige Erkenntnisse und Impulse geliefert für den nachhaltigen Digitalisierungsprozess in Kindertageseinrichtungen und ermöglicht pädagogischen Fachkräften neue professionelle Wege der Bildungsdokumentation und Kommunikation mit Familien. Auch nach dem Projektende im September 2022 wird dieser Prozess bei FRÖBEL fortgesetzt.
FRÖBEL betreibt über die FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbH aktuell mehr als 210 Krippen, Kindergärten und Horte sowie weitere Einrichtungen im Bereich Hilfen zur Erziehung (HzE) in zwölf Bundesländern. Rund 5.000 Menschen arbeiten im Unternehmen in der Bildung, Erziehung und Betreuung von rund 20.000 Kindern.
Mit dem "rückenwind+"-Projekt "Kita 4.0" hat es sich FRÖBEL von Juli 2019 bis September 2022 zur Aufgabe gemacht, pädagogische Fachkräfte fit und kompetent für digitalisierte Arbeitsprozesse im Arbeitsfeld Kindertagesstätten zu machen. Die Schwerpunkte des dreijährigen ESF-Projekts lagen dabei auf der Verbesserung der Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte im Umgang mit digitalen Medien sowie der digitalen Weiterentwicklung der mittelbaren pädagogischen Arbeit, insbesondere der digitalen Dokumentation pädagogischer Prozesse und der Elternkommunikation.
Im Mittelpunkt der Umsetzung standen folgende Bausteine: Bestandsaufnahmen in den beteiligten Einrichtungen sowie Qualifizierungen und Sensibilisierungsmaßnahmen mit Geschäftsleitungen, Fachberatungen und Einrichtungsleitungen sowie Festlegung und Konkretisierung einer gemeinsamen Vision und Zielsetzung mit den verschiedenen Beteiligten in einem Auftakt-Workshop. In zunächst insgesamt 10 Piloteinrichtungen wurden anschließend 13 Multiplikator*innen für Digitalisierung ausgebildet, die in den Teams als feste Ansprechpartner*innen dauerhaft für die kollegiale Beratung und Weiterentwicklung des Prozesses zur Verfügung stehen. Teamweiterbildungen und eine kontinuierliche Begleitung der beteiligten Einrichtungen folgten innerhalb des Einführungsprozesses. Regelmäßige Austausch- und Reflektionsrunden sicherten zudem ein hohes Maß an Transparenz, Qualität und Beteiligung der Fachkräfte in den Einrichtungen.
Pionierarbeit für moderne Arbeitsbedingungen
"Die Projekteinrichtungen und Beteiligten haben vielfach Pionierarbeit im Feld der frühkindlichen Bildung geleistet", sagt die "Kita 4.0"-Projektleiterin Ileana Dilger. "Es war eine Herausforderung, auf dem ständig wachsenden Markt an Kita-Softwarelösungen diejenige zu finden, die für unsere Ziele und Unternehmen passte. Eine perfekte Lösung gibt es nicht." Faustregel müsse aber sein: Sinnvoll ist Digitalisierung nur, wenn sie den "pädagogischen Alltag verbessert und die Arbeit der Fachkräfte erleichtert, betont Dilger. "Kita 4.0" hat deshalb die Mitarbeitenden in den beteiligten Kindertageseinrichtungen bereits in den Auswahlprozess der zu nutzenden Software miteinbezogen und auch danach über Qualifizierungen und Austauschformate kontinuierlich weiter miteingebunden. "Gerade die Multiplikator*innen in den einzelnen Einrichtungen haben viel Offenheit gezeigt und zu Beginn verschiedene Apps und Softwarelösungen ausprobiert", unterstreicht Dilger den Erfolg des Ansatzes.
Digitalisierung partizipativ gestalten
Dass es ohne eine enge Einbindung der Beschäftigten bei der Digitalisierung von Arbeitsprozessen nicht geht, weiß auch Beatrice Schmitt, Leiterin des Fröbel Kindergarten Lützelsteinerweg in Berlin. "Man muss das ganze Team ins Boot holen und schauen, dass der Prozess auch vom ganzen Team mitgetragen wird", unterstreicht Schmitt eine zentrale Herausforderung von Veränderung. Das sei in Zeiten knapper Personalressourcen nicht immer leicht umzusetzen. Um den organisatorischen Aufwand der Digitalisierung von Arbeitsprozessen neben dem Arbeitsalltag in den Kindergärten für Erzieher*innen umsetzbar und nachhaltig zu gestalten, gilt es deshalb, entsprechend Zeit einzuplanen; auch seien viele kleine Schritte, Überzeugungsarbeit und langer Atem nötig, beschreibt Schmitt wesentliche Erfahrungen aus der Projektumsetzung. Denn nicht alle Kolleg*innen sehen sofort einen Vorteil in der digitalen Arbeit. Verbesserungen durch die neue Arbeitsweise müssen daher konkret und greifbar sein. "Wenn das dann gelungen ist, lohnt es sich total, weil man dann die ganzen Vorzüge der digitalen Dokumentation nutzen kann", so Kitaleiterin Schmitt. Die konkreten Vorteile der digitalen Bildungsdokumentation sieht sie vor allem in der Vereinfachung von Arbeitsschritten für ihre Kolleg*innen. Eine digitale Bildungsdokumentation ersetze dabei die analoge Dokumentation nicht vollständig, betont sie, sondern erweitere Möglichkeiten: "Es ist das Zeitsparende, das Schnelle, auch das Unmittelbare. Wir können, wenn es gut läuft, manchmal am selben Tag schon die Eltern [Anmerk.: an den Fortschritten ihrer Kinder] teilhaben lassen, so dass dann die Eltern zu Hause auch mit dem Kind darüber sprechen." Daneben sparten die Erzieher*innen zeitraubende Arbeitsschritte: Print-Abzüge von Fotos beauftragen, diese wieder im Laden abholen und in Alben einkleben etwa.
Das ESF-Projekt als Anschub
Über die Neugestaltung des Arbeitsprozesses für die Bildungsdokumentation hinaus wurde in den Fröbel-Einrichtungen zudem ein vielschichtiger Qualitätsentwicklungsprozess in Gang gesetzt. So haben die Teams in den beteiligten Piloteinrichtungen im "rückenwind+"-Projekt die Chance genutzt und sich intensiv mit den Zielen und verschiedenen Verfahren der Dokumentation im pädagogischen Prozess auseinandergesetzt sowie auf der Organisationsebene (interne) Teamabsprachen überprüft und erneuert. Gleichzeitig entstanden neue Beteiligungsformen der Kinder, beschreibt Vanessa Schulz, Multiplikatorin aus der Projekteinrichtung "Lützelsteiner Weg" einen Mehrwert, den viele ihrer Kolleg*innen für ihren pädagogischen Arbeitalltag attraktiv finden: "Wenn wir mit digitalen Medien dokumentieren, finden die Kinder das sehr spannend. Sie fragen auch nach, was wir da machen. Wir erklären es dann, also wir sagen, ich habe jetzt ein Foto von Dir gemacht, magst Du es Dir mal anschauen? Und können die Beschreibung dann auch gleich mit dem Kind zusammen aufschreiben." Damit trägt das ESF-Projekt auch zu einer medienpädagogischen Auseinandersetzung, Weiterbildung und Haltungsklärung bei den pädagogischen Fachkräften bei.
Ein Modell mit Zukunft
Was 2019 mit zehn Projekt-Kitas begann, entwickelte sich bis heute, sieben Monate nach Ende der ESF-Förderung, zu einem Erfolgsprojekt. Beigetragen hat dazu auch die große Herausforderung der Corona-Pandemie. Sie zwang die Projektverantwortlichen, die Umsetzung der geplanten Maßnahmen sehr flexibel zu gestalten. So entwickelten sich z.B. zunehmend mehr digitale und zeitlich kürzere Schulungseinheiten, sogenannte "Live-Online-Seminare". Über die neuen Formate konnten innerhalb der drei Jahre Projektlaufzeit zwischen Juli 2019 und Mai 2022 insgesamt rund 350 Fachkräfte aus 16 FRÖBEL-Regionen in Medienpädagogik, Datenschutz und dem Umgang mit der gewählten Dokumentationssoftware geschult werden. Mit Ende der ESF-Förderung Ende 2022 wird in über 80 FRÖBEL-Einrichtungen digital dokumentiert und fast überall sind Tablets und digitale Tools ein fester Bestandteil der pädagogischen Arbeit. In einem FRÖBEL-internen "Netzwerk Digitalisierung" bleiben die Fachkräfte zudem einrichtungsübergreifend im kollegialen Austausch.
Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung
Der innerhalb des "rückenwind+"-Projekts entwickelte E-Learning-Kurs "Datenschutz" steht inzwischen langfristig allen Fachkräften bei FRÖBEL zur Verfügung. Außerdem wurden wichtige Gelingensfaktoren im Prozess der Digitalisierung identifiziert, die nun in weiteren FRÖBEL-Fortbildungen Berücksichtigung finden.
Auch die im Rahmen von "Kita 4.0" erarbeitete Broschüre für die pädagogische Praxis, "Play - Apps und Tools für die Kita", liefert heute vielen Fachkräften über das "rückenwind+"-Projekt hinaus wichtige Anregungen zur sinnvollen pädagogischen Verwendung digitaler Medien.
"Außerdem sind natürlich auch beim Träger selbst wertvolle Kompetenzen und Erfahrungen entstanden, die in anderen Bereichen weitergenutzt werden können", stellt Ileana Dilger im Nachhinein fest. Die Erkenntnisse aus dem ESF-Projekt wirken etwa weiter in einem neuen Pilot-Projekt zur Sprachbildung. Nach der Diskussion um das Auslaufen des Bundesprogramms "Sprach-Kitas" bleibt gute Sprachbildung eines der wichtigsten Themen von FRÖBEL. Das Unternehmen hat sich deshalb entschieden, ein eigenes Pilotprojekt zur Erhebung des Sprachstands im Kita-Alltag zu initiieren. Die Software zur digitalen Dokumentation, die FRÖBEL zunächst im Rahmen des "rückenwind+"-Projekts eingeführt hat und nun aus eigenen Mitteln weiterfinanziert, hält auch standardisierte, wissenschaftlich anerkannte Verfahren zur Sprachstandsmessung bereit. So werden Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen unterstützt, Förderbedarfe früher zu erkennen, um Kinder schneller und gezielter unterstützen zu können. Die ersten 40 FRÖBEL-Kindergärten starten im Sommer 2023. Dies ist eine wichtige Grundlage für das neue Projekt und den Fortschritt in vielen Kindertageseinrichtungen.
Weiter Informationen zu "Kita 4.0" finden Sie
- im Projektsteckbrief auf der Programmseite "rückenwind" sowie
- im Online-Werkstattgespräch "rückenwind+" vom 17.06.2021 (YouTube).
Informationen zu den Autorinnen des Beitrags:
Ileana Dilger, Projektleiterin "Kita 4.0" (2019 - 2022), seit 2022 Leiterin der Abteilung Familienbildung bei FRÖBEL
Bettina Wegner, Leiterin der ESF-Regiestelle in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V., verantwortlich für die Programmumsetzung "rückenwind+" und aktuell "rückenwind3".
Das ESF-Programm "rückenwind - Für die Beschäftigten und Unternehmen in der Sozialwirtschaft" (kurz: "rückenwind+")
"rückenwind+" ist das Vorläuferprogramm des ESF Plus-Programms "rückenwind3 für Vielfalt, Wandel und Zukunftsfähigkeit in der Sozialwirtschaft" (kurz: "rückenwind3") in der ESF Plus-Förderperiode 2021-2027.
Das Programm wurde in der ESF-Förderperiode 2014-2020 in enger Partnerschaft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW) entwickelt und umgesetzt. Am 30.09.2022 endete die Laufzeit des Programms "rückenwind+". Ziel des Förderprogramms war die Fachkräftesicherung in sozialen Berufsfeldern. 53,5 Millionen Euro ESF-Mittel, zzgl. Bundesmittel, standen für die Programmumsetzung zur Verfügung. Insgesamt rd. 150 Modellvorhaben konnten so bei der Entwicklung vielfältiger und qualifizierter Ansätze und Instrumente für die Gestaltung moderner und attraktiver Arbeitsbedingungen in sozialen Berufsfeldern unterstützt werden. Fast 25.000 Beschäftigte in rund 1.600 Unternehmen waren in den Projekten aktiv. Konzeptionell beschäftigten sich die geförderten "rückenwind+"-Projekte mit den fünf Themenfeldern: "Arbeit 4.0 & Digitalisierung" (seit 2017), "Führung & Unternehmenskultur", "Personal gewinnen & Personal fördern", "Lebensphasenorientierung & Gesundheit", "Vielfalt im Betrieb & Geschlechtergerechtigkeit".
Weitere Informationen zum Programm "rückenwind+" finden Sie auf dem ESF-Webportal sowie auf der Programmwebsite "rückenwind+".
Kontakt: regiestelle@bag-wohlfahrt.de